Mittwoch, 1. Januar 2014

Familientreffen in Florida

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Ich habe zwar gestern viel gegessen und heute ausgiebig gefrühstückt, aber ich bin nicht so dick, wie das auf dem Foto aussieht. Hoffe ich jedenfalls. 6.000 Kilometer lang unzählige Kalorien verbrennen mit einem Abendessen und einem Frühstück zunichte machen... das wäre dann doch zu unfair. 

Auf dem Bild seht ihr Monika (Cousine), Gudrun (Cousine), mich, Angie, Beate (Cousine), Henrike (Frau von Cousin) und Norbert (Cousin). Ein völlig überraschendes Familientreffen in Südflorida. Das ist die Geschichte dazu... Norbert und Henrike sind noch länger Amerika-Fans als Angie und ich. Die beiden sind uns auch insofern ein gutes Stück voraus, als sie das bereits haben, woran wir noch arbeiten: ein Haus in Florida. Dort verbringen sie zur Zeit die Weihnachtsferien. Als Kurzurlaubs-Gäste beherbergen sie im Moment noch weitere drei Cousinen. All das wußte ich aber bis vor 5 Tagen noch nicht. Vor 5 Tagen haben Angie und ich uns wegen der aktuellen Bevölkerungsdichte auf den Florida Keys entschieden, die Tour  bis zum 10. Januar zu unterbrechen und in der Zwischenzeit einen Schlenker zur Westküste einzubauen. Dieser Schlenker sollte uns auch nach Naples bringen . Kaum hatten wir die Route grob geplant, kam eine Mail: "Wir verfolgen gerade euer Key West Abenteuer. Wo seid ihr jetzt genau? Wir sind momentan in Naples... Ihr seid nicht zufaellig in unserer Naehe?" Ist das zu fassen? Man möchte am liebsten Karl Valentins "Geschichte vom Zufall" zitieren, wo es auch um Radfahrer geht, allerdings in München. Bleiben wir aber jetzt in Südflorida  bzw. Naples. Wir waren nicht nur in der Nähe, wir hatten sogar schon Kurs Richtung Westküste und Naples genommen. Die Aussicht auf dieses völlig verrückte Familientreffen zu Sylvester mit fließendem Übergang zu meinem Geburtstag war unwiderstehlich. Aber die Zeit drängte und wir mussten ein wenig Gas geben.

Die gestrige 90-Kilometer Etappe von Clewiston am Lake Okeechobee nach  Immokalee (ca. 60 Kilometer nördlich von Naples) war für uns Radler so lustig wie eine Treibjagd für einen Hasen. Der zunächst breite Seitenstreifen wurde schmaler und schmaler, bis er nach rund 35 Kilometern schließlich völlig verschwunden war. Aus vier Spuren wurden zwei und der dichte Schwerverkehr trieb uns immer wieder von der Straße in den Graben, aufs Bankett, den Sand, den Kies, die Wiese. Manchmal kamen wir nur 100 Meter voran, bevor wir uns wieder durch den Notausgang in Sicherheit flüchten mußten. Ohne Rückspiegel un-überlebbar. Die kritischste Situation erlebten wir, als von hinten einer dieser riesigen Trucks andonnerte, zum Überholen ansetzen wollte, dann aber just in diesem Augenblick von einem PKW überholt wurde und NICHT ausweichen konnte. Ich sah das im Rückspiegel und konnte Angie noch unser Notausgangssignal "WEG!" zurufen. Wir waren im Bankett noch nicht zum Stillstand gekommen, da rauschte der Koloss auch schon gnau an der Stelle vorbei, an der wir ohne Rückspiegel gewesen wären. 

Ein strammer Seitenwind erzwang Fahren in leichten Schlangenlinien, was unsere sowieso schon zum Zerreißen angespannten Nerven noch ein wenig stärker strapazierte und die Pulsfrequenz konsequent auf Kolibri-Niveau hielt. Als Krönung des Ganzen löste sich dann auch noch die rechte Fahrspur wegen Straßenbauarbeiten in Geröll auf. Unser Notausgang war weg, aber die Trucks blieben. Was tun? Geisterradeln! Die linke Fahrbahn war frisch geteert und hatte einen Seitenstreifen. Also wurden wir zu Geisterradlern und fuhren 5 Kilometer auf der LINKEN Seite entgegen der Fahrtrichtung auf dem Seitenstreifen. Dann - endlich - bogen wir nach Süden ab. Der Schwerverkehr nahm dort zwar noch weiter zu, aber wir hatten wieder unseren heiligen Seitenstreifen, der uns zwar unter infernalischem Lärm, aber sicher bis Immokalee brachte. Dieses Bild entstand kurz vor dem Tagesziel.


In Immokalee wurden wir abgeholt. Unsere Gastgeber rückten mit ZWEI Autos an! Eines für die Fahrräder, eines für die Personen. Eine Nachbarin hatte sich spontan bereit erklärt, mit ihrem Van die Räder zu transportieren. Leute, wir sprechen hier von Sylvester und 60 Kilometern einfach! Welch ein Service. Lieber Norbert, liebe Henrike und liebe Sharon: VIELEN DANK dafür! Ohne diesen Abholdienst hätten wir Sylvester und den Beginn meines Geburtstages in einem namenlosen Motel am Highway 29 verbracht. So aber durften wir mit euch, "den Mädels" und euren Nachbarn und Freunden einen denkwürdigen Abend verbringen. Los ging's mit dem gigantischen Feuerwerk am Strand von Naples. Das Feuerwerk ist zwar der Mittelpunkt eines Feuerwerks, aber besondere Rahmenbedingungen können das Spektakel vom "Ahh"- und "Ohh"-Erlebnis noch einmal steigern. In diesem Fall bildeten der Golf von Mexiko die Rahmenbedingung, die ein beeindruckendes Feuerwerk zu einem unvergesslichen Erlebnis veredelten. Weil meine eigenen Fotos mangels Stativ leider aussehen wie die Fingerfarbengemälde eines zittrigen Schimpansen, bediene ich mich ausnahmsweise im Internet (Hier klicken für Quelle). 


Vom Feuerwerk gings schnurstracks zurück ins Traumhaus, wo die Nachbarn zur Sylvesterparty eingeladen hatten. Ich tanzte dort an wie ein Kumpel aus Schacht 7 in der Oper: völlig underdressed! Nun, ich hatte den Smoking zu Hause gelassen. "Gut", könnte man einwenden, "zwischen Smoking und Lumpen gibt es Nuancen". Ja, einverstanden, aber echte Männer mögen keine Kompromisse in Sachen Reisegepäck. Ich hoffe, die Freundschaft zwischen Henrike, Norbert und den Nachbarn leidet nicht unter mir :-)

Es war ein Abend, wie man ihn nur mit und unter Amerikanern erlebt. Jeder kommt sofort mit jedem ins Gespräch, es gibt immer etwas zu erzählen, zu erfahren, zu lachen, zu sehen. Kühle Getränke, warme und heiße Leckereien und zum Schluss der Countdown: "10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1 - HAPPY NEW YEAR!" und schon fließt der Champagner. Ein herrlicher Abend, dessen krönendes Ende ein Schlafgemach unter offenem Himmel bildete. Unsere Gastgeber waren nur schwer davon zu überzeugen, dass eine Isomatte neben dem Pool das schönste Bett ist, das ich mir für diese Nacht nur wünschen konnte. Zu blöd, dass man beim Schlafen die Augen schließen muß. Ansonsten hätte ich nicht nur 1,7 Minuten, sondern die ganze Nacht über die Sterne über mir bestaunen können. Am 1. Januar 2014 schlug ich morgens um 07:00 Uhr die Augen auf und sah das. So dürfen Geburtstage im Januar anbrechen, oder?


Till Senn

2 Kommentare:

  1. Und verdient habt's es

    Liebe Grüße von dem daheimgebliebenen Cousin

    einer muss ja die Kommentare schreiben
    sonst wars ja fad eh klar

    Alles Liebe
    Happy Birthday zum 55 ten
    und
    weiter soooo

    sagt der Joe

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  2. Champagner auf die Schnapszahl ! und Sch... auf den Smoking!
    Wias passen mog, ha ?! Ein bisschen Umlanung und ein Lenkerschlenker - und schon wird aus einem "werd scho wern mit de keys" über ein stark untertriebenes "bassd scho" ein triumphales "hod einfach ois zsammbassd - und no mehra"... bayrisch zurückhaltend ausgedrückt.
    Großen Glückwunsch mit Herz-lichem Feuerwerk !
    Radl-Be

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