Montag, 30. September 2013

Telegramm


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Haben New Mexiko erreicht - Stop - Zwei von drei Bergpässen geschafft - Bergpässe haben uns geschafft - Stop - Kein Internet in den Bergen - Keine Duschen in den Bergen - Kein Nichts in den Bergen - Zelten in den Bergen kalt - Stop - Morgen (1. Okt) Emory Pass (Dach der Tour) - Stop - Texas in Rufweite - Stop - Ausführlicher Bericht folgt demnächst....




Freitag, 27. September 2013

Geronimos Land

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Arizona: San Carlos (Apache Reservation) nach Thatcher (112 KM)
Das San Carlos Apache Reservation existiert seit 1871 und zählt zu den dunkelschwarzen Kapiteln der amerikanischen Geschichte. Wer meine epischen Ausfälle über die Verlogenheit der christlichen Einwanderer und Einwohner nicht mehr hören mag, den muß auf den nächsten Beitrag vertrösten. Heute kotze ich mich wieder einmal aus tiefster Seele aus. Das Thema geht mir unter arg die Haut und der Spaßfaktor hält sich entsprechend in Grenzen. Und dass mir nachher niemand jammert: "Ja kann denn der üüüüüüüberhaupt nicht aufhören.... schon so lange her... und iiiiiiiii-mer wieder die Kirche, die CSU und ..." Nix will ich hören, gell Radlhans :-)

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Was man sich auch immer und immer wieder vor Augen halten muß: Amerikaner sind letztlich Europäer. Viele Kriegsverbrecher und Völkermörder wuchsen im christlichen Europa auf, wanderten als gelernte Christen in die Neue Heimat aus, wo sie dann am Sonntag die Kirchen bevölkerten und von Montag bis Samstag wahlweise dunkelhäutige Menschen als Untermenschen mißhandelten oder rothäutige Völker mordeten. Am 7. Tage ruhten sie dann aus und wuschen sich noch schnell das Indianerblut von den Händen, bevor sie zur heiligen Kommunion gingen und dort das Blut Christi tranken. Bigott? Iwo. Nur konsequent.

Auf dem Highway 70 radeln wir durch das Land der Apachen. Nun ja, das Reservat...
Hier, im Süden Arizonas, in dem Gebiet, durch das wir heute radeln, lebten viele Jahrhunderte lang die Chiricahua Apachen. Solange nur einzelne Siedler in das Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko mit den für Weiße üblichen Besitzansprüchen kamen, gab es nur selten ernsthaftere Konflikte zwischen Indianern und Weißen. Aber im Zuge des Goldrausches drangen Mitte des 19. Jahrhunderts die Weißen in Massen in das Gebiet der Apachen ein und machten dort, was sie immer machten. Kirchen bauen, den Herrn loben und dann die Indianer davonjagen bzw. niedermetzeln, wenn sie sich nicht davonjagen ließen. Was sich die Indianer natürlich nicht gefallen ließen.


Drei der größten indianischen Führer aus den Reihen der Apachen waren zu dieser Zeit Mangas Coloradas, Geronimo und Cochise. 


Mangas Coloradas überlebte 1835 als einer von wenigen Indianern ein Massaker der mexikanischen Armee. "Während des Mexikanisch-Amerikanischen Krieges verbündete er sich mit dem US-General Philip Kearny gegen die Mexikaner. Es gelang den Bedonkohe [Apachenstamm, H.P.], die Mexikaner zu vertreiben, die im Bedonkohe-Gebiet Kupfer abbauten. Wenig später entdeckten Amerikaner bei ihnen Gold und Silber. 1850 besetzte die US-Armee ihr Land am Gila River. In der Folge strömten Hunderte von Goldsuchern herbei; es entstand die Goldgräberstadt Pinos Altos im US-Bundesstaat New Mexico. Bei einem Besuch im Jahre 1861 in Pinos Altos wurde Mangas Coloradas gefangen genommen, ausgepeitscht und davongejagt.
Ein Jahr später wurde Mangas Coloradas zusammen mit rund 700 Kriegern der Bedonkohe sowie der Chokonen-Apachen unter seinem Schwiegersohn Cochise am Apache-Pass von 126 US-Soldaten geschlagen. Der 65-jährige Mangas Coloradas wurde durch eine Kugel in die Brust verletzt.
Anfang 1863 besuchte ein Mexikaner unter der weißen Flagge die Mimbreno, um mit ihnen im Namen der US-Armee Friedensverhandlungen aufzunehmen. Mangas Coloradas erklärte sich bereit, ihn alleine in das alte Fort McLane zu begleiten. Kaum mit dem Mexikaner alleine, stürzten sich jedoch Soldaten von General Joseph R. West aus dem Gebüsch und nahmen ihn gefangen. Im Fort angekommen gab West den Befehl, Mangas Coloradas in der kommenden Nacht zu töten. Die Soldaten versengten ihm zuerst mit erhitzten Bajonetten die Füße und Beine. Als Mangas Coloradas protestierte, erschossen sie ihn. Anschließend skalpierten und enthaupteten sie ihn. Der Rumpf wurde in einem Graben verscharrt. In offiziellen Militärberichten hieß es, Mangas Coloradas sei bei einem Fluchtversuch getötet worden (...) 
Obwohl von den Weißen immer wieder verraten und betrogen, versuchte er mehrfach, mit ihnen Frieden zu schließen. Er hasste die Weißen nicht, worauf auch seine Heirat mit einer Mexikanerin hindeutet." (Quelle: Wikipedia)

"Cochises Leben war geprägt durch die anhaltenden Kämpfe der Apachen gegen die zunehmende Besiedlung des äußersten Nordens von Mexiko durch Mexikaner und des heutigen Südwestens der USA durch Angloamerikaner. Während es den Apachen gelang, die Mexikaner immer wieder aus ihrer angestammten Heimat zurückzudrängen, unterlagen die Chokonen unter Cochises Führung nach jahrzehntelangem Guerillakampf der US-amerikanischen Armee.
Die kriegerischen Auseinandersetzungen waren nur durch kurze Friedensphasen unterbrochen, die in der Regel von den Amerikanern gebrochen wurden. 1861 begann der letzte Krieg Cochises gegen die US-Armee infolge der Bascom-Affäre. George Bascom, ein junger, karrieresüchtiger Leutnant, beschuldigte Cochise des Viehdiebstahls und der Entführung eines Jungen. Cochise konnte sich seiner Gefangennahme bei den vorgeblichen Verhandlungen, die sich als Falle entpuppt hatten, durch eine dramatische Flucht entziehen. Ein Teil seiner Familie blieb in Geiselhaft. Darauf nahm Cochise andere Weiße als Gefangene. Als Bascom sich weigerte, Cochises Familienangehörige im Gefangenenaustausch herauszugeben, wurden die weißen Gefangenen der Apachen getötet. Darauf ließ Bascom die drei männlichen Verwandten Cochises hängen. Durch diese Vorfälle wurde eine neue Kriegsphase zwischen den Chokonen und den Angloamerikanern ausgelöst.
Nach dem Tod des Häuptlings der Bedonkohe-Apachen, Mangas Coloradas, war Cochise der einflussreichste Anführer der Chiricahua. Nach über zehn Jahren weiteren legendenumwobenen Kampfes kam es 1872 auf Vermittlung von Tom Jeffords, einem US-amerikanischen Postreiter und ehemaligen Scout, zu dem Cochise ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut hatte, zu Friedensverhandlungen mit dem Bürgerkriegsveteran General Oliver Otis Howard, dem ein fairer Umgang mit den Indianern nachgesagt wurde. Es wurde ein Friedensvertrag ausgehandelt, bei dem den Bedonkohe ein eigenes Reservat zuerkannt wurde.Cochise starb im Juni 1874. Bei Freund und Feind hatte er als geschickter Kriegstaktiker und aufrichtiger Mann gegolten, der sein einmal gegebenes Wort auch hielt." [Quelle: Wikipedia). 

Geronimo "verlor beide Eltern bereits 1837, als der Händler James Johnson und seine Skalpjäger während eines Festes, zu dem die Weißen eingeladen hatten, das Feuer auf 400 Apachen eröffneten und anschließend alle toten Apachen skalpierten. Der Grund für dieses Abschlachten war ein äußerst brutales Gesetz, das die Regierungs-Verwaltung für Chihuahua im Jahre 1837 erließ. Für jeden Skalp eines Apachen-Kriegers wurden 100 Dollar, für einen Frauenskalp 50 Dollar und für den Skalp eines Kindes 25 Dollar gezahlt. Der neue Häuptling und mächtigste Führer der Bedonkohe-Apachen (der auch starken Einfluss in den Gruppen der Chihenne und Chokonen hatte) Mangas Coloradas, nahm sich des Waisen an. Als 1858 die mexikanischen Truppen des Militärgouverneurs des Bundesstaats Sonora, General Jose Maria Carrasco, seine Adoptiv-Mutter, seine Frau und seine drei Kinder töteten, erklärte Gokhlayeh [anderer Name für Geronimo, H.P.] den Besatzern seines Landes den Krieg. Dazu verbündete er sich mit Cochise, einem Häuptling der Chokonen-Apachen, einer der vier Gruppen der Chiricahua." (Quelle: Wikipedia)

1876 stellte sich Geronimo nach vielen Kämpfen schließlich der amerikanischen Armee. Er wußte, dass er den Krieg nicht gewinnen konnte, dass sich die Eindringlinge nicht zurückziehen würden, dass der Kampf um die Freiheit seines Volkes letztlich nur dessen Ausrottung bedeuten würde. Das San Carlos Reservat befindet sich mitten im Wüstengebiet. Kein Wasser, keine Nahrung. Die Indianer waren abhängig von Lebensmittellieferungen der Armee. Entweder hat der Trick mit der Brotvermehrung nicht geklappt oder es kam den Christen gerade recht, wenn die Heiden krepierten. Die Wasser und Lebensmittellieferungen blieben jedenfalls aus bzw. fielen viel zu knapp aus. Im ersten und zweiten Jahr im Reservat starben Hunderte an Unterernährung und Krankheiten, während es den nächstenliebenden Weißen draußen an nichts mangelte.
Es begab sich zu jener Zeit, als satte Christen in Arizona hilfsbedürftige Apachen verhungern ließen, dass in Rom ein gewisser Papst Pius IX der Stellvertreter Jesu auf Erden war. Der gute Pius war ein schlauer Fuchs. In seiner Enzyklika "Ubi primum" bereitete er zuzerst das Dogma der Unbefleckten Empfängnis vor. Dann leierte er das erste Vatikanische Konzil an (1869/1870), auf dem dann die Unfehlbarkeit des Papstes bei der (ex cathedra) Verkündigung von Dogmen beschlossen wurde. Ein Schelm, wer Gutes dabei denkt. Unser oberster Christ veurteilte Demokratie und Glaubensfreiheit aufs Schärfste. Was ich als besonders pikant finde: Rationalismus verurteilt er als Irrglaube. Das muß man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. RATIONALISMUS = IRRGLAUBE. Wie unvorstellbar bescheuert muß man... aber lassen wir das. Im Jahre 1874 verbot unser irrationale Gläubige in Rom seinen italienischen Schäfchen die Teilnahme an demokratischen Wahlen. In diesem und den folgenden Jahren starben ein paar Tausend Kilometer weiter Hunderte von Kindern, Frauen und Männern im San Carlos Apache Reservation, ohne dass irgendwer irgendeinen Finger für sie krumm gemacht hätte. Schon gar nicht der oberste Nächstenlieber. Denn unser Irrationaler in Rom hat andere Prioritäten. Er kann sich doch nicht um lumpige Menschenleben kümmern, wenn die unbefleckte Empfängnis Mariä zur Diskussion steht! Also erzebt  er die Frage, ob Maria mit oder ohne Erbsünde gezeugt wurde, zum Top-Thema und weil er schon dabei ist, beschließt er auch gleich noch, dass er und seinesgleichen ab sofort nicht mehr irren können, solange der Stempel (Verkündigung "ex cathedra") an der richtigen Stelle sitzt. Im Jahre 2000 wurde er selig gesprochen. Kurt Tucholsky hat in seiner späten Phase einmal eine Treppe mit drei Stufen gezeichnet und auf die drei Stufen von unten nach oben die Worte gesetzt: "Eine Treppe: Reden, Schreiben, Schweigen." Ich schreibe zwar mal wieder verdammt viel :-), aber eigentlich schweige ich schon lange. Was gäbe ich darum, diese ganze scheinheilige Bande dorthin zu jagen, wo sie hingehört: zum Teufel?
Während sich Pius IX also in Rom den Kopf über die immaculata conceptio" zerbricht, bricht Geronimo zum ersten Mal aus dem Todesreservat aus. Später stellt er sich wieder, als bessere Bedingungen garantiert werden. Die dann - natürlich - nicht eingehalten werden. Das wiederholt sich ein paar Mal. Ausbruch, Zugeständnisse, Wortbruch, Ausbruch. 1884 erfolgt Geronimos letzter Ausbruch mit kleiner Gruppe 50 Krieger. Sie werden verfolgt von 5.000 Soldaten und 250 Indianer-Scouts. Erfolglos. Aber die professionellen weißen Nächstenlieber wußten, wie sie Geronimo klein bekommen konnten. Sie mußten nur sein Volk weiter quälen. 2000 Jahre Foltertradition zahlten sich schließlich aus und am 4. September 1886 stellt sich Geronimo zum letzten Mal. 
Im selben Jahr veröffentlicht Friedich Nietzsche eine meiner Bibeln: "Jenseits von Gut und Böse: Vorspiel zu einer Philosophie der Zukunft". Vernunft und Ethik auf der einen,  Religion und Moral auf der andere Seite. David gegen Goliath. Eine zeitlose Metapher. Wer gewinnt, zeigt die Geschichte Tag für Tag. Damals und heute. Und jetzt dürft ihr dreimal raten, was aus den Zusagen der weißen Christen gegenüber den roten Heiden geworden ist. Genau: "Entgegen ursprünglicher Friedensvereinbarungen, in denen zunächst für ihn [Geronimo, H.P.] und den kleinen Rest seines früher großen Volkes, fruchtbares Farmland zugesichert wurde, brachte man ihn und einige seiner Leute, teilweise für viele Jahre, in weit entfernte wechselnde Armeegefängnisse. Zunächst wurde er in Fort Sam Houston in San Antonio, Texas, gefangengehalten. Dann wurde er wechselweise nach Fort Pickens, Florida, in die Verbannung, im Anschluss nach Fort Marion, Alabama, und schließlich 1894 nach Fort Sill in Oklahoma ins Indianerterritorium überstellt. Dort konvertierte er 1903 zum Christentum, wurde Methodist und besuchte regelmäßig den Gottesdienst. Dem inzwischen im ganzen Land berühmt gewordene Gokhlayeh wurde schließlich im von US-Truppen kontrollierten Reservat ein kleines Stück Farmland zur Verfügung gestellt (...) Die Zusage, wie in den früheren Kapitulationsverhandlungen vereinbart, in das Gebiet seiner ursprünglichen Heimat zurückkehren zu dürfen, wurde nie eingehalten. Gokhlayeh starb am 17. Februar 1909 an einer Lungenentzündung und wurde auf dem Friedhof von Fort Sill bestattet. "

Rund 100 Kilometer radeln wir durch diese Landschaft. In Gedanken reise ich dabei 140 Jahre zurück und Wut und Trauer und Abscheu wachsen von Kilometer zu Kilometer.

Damals und Heute
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Passend zur Stimmung: "Ecstasy of Gold" von Ennio Morricone:



Bis zum nächsten Mal

Till Senn

Mittwoch, 25. September 2013

Apache Trail - Auf dem Pfad der Apachen

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Im Augenblick kann ich nicht sagen, ob mir nach Heulen, Lachen, Fluchen, Frohlocken, Schlafen, Betrinken oder Essen ist. Oder nach allem zusammen (aber in welcher Reihenfolge?). Es ist Mittwoch, 25.9., 15:40 Uhr Ortszeit. Angie und ich sind, von Mückenstichen abgesehen, auf wundersame Weise unversehrt geblieben und haben vor 10 Minuten das "Best Western Apache Gold Hotel" im San Carlos Apache Reservation erreicht. Mehr Tage wie diesen brauche ich aber nicht. Der reicht für zwei bis drei Re-Inkarnation.

Der Reihe nach: Seit unserer Ankunft in Phoenix haben wir 210 Kilometer zurückgelegt, von denen die ersten 100 allein auf die Durchquerung des Stadtgebietes entfallen. Von Allach (Surprise) nach Ottobrunn (Apache Junction), ihr erinnert euch, ja? 


Apache Junction befindet sich - wie viele Städte hier im Süden Arizonas - im Sommer im Winterschlaf und läuft im Winter auf Hochtouren. "Snowbirds", ihr erinnert euch. Die Einwohnerzahl vervielfältigt sich hier im Winter um das 10-fache. Soweit so gut, aber warum heißt Apache Junction Apache Junction? Apache Junction heißt Apache Junction, weil die Siedlung (Sommer) / Großstadt (Winter) an der Kreuzung von "Apache Trail" und "Highway 60" liegt. (Altötting hieße dann demnach "B 12-Junction")

Apache Junction ist bekannt wegen seiner 'Superstition Mountains',der "Aberglaube-Berge". Die Apachen glaubten, dass in diesen Bergen der Einstieg in die Unterwelt verborgen wäre. Warum erinnert mich das sofort an die Tilly Gruft in Altötting? Genau! Wegen "Aberglaube" und "Unterwelt". Die Tiefgarage hinter dem Altöttinger Forum wäre demnach der Hades (Ἅιδης) und der Möhrenbach der Styx (Στύξ), das "Wasser des Grauens"). Den Fährmann Charon (Χάρων) findet man dann im Gasthof zur Post am Kapellplatz. Münzen nimmt man dort jedenfalls gerne und in Hülle und Fülle entgegen.

Die Superstition Mountains spielen eine wichtige Rolle in der Legende Lost Dutchman's Goldmine (Die verlorene Goldmine des Holländers). Besagter Holländer war allerdings ein Deutscher. Aber wenn ein Deutscher ohne Englischkenntnisse zu einem Amerikaner sagt: "Ich bin deutsch", dann hört der Amerikaner ohne Deutschkenntnisse "I am Dutch", und das heißt "Ich bin Holländer". Ein wenig stille Post auf apachisch - und schon wird der Deutsche zum Holländer. Der Legende nach hat also ein namentlich nicht näher benannter deutscher Einwanderer mit mäßigen Englischkenntnissen eine unvorstellbare Menge Gold in den Bergen hinter Apache Junction gefunden. Aus verständlichen Gründen hat er genaue Angaben zum Fundort nicht auf Facebook gepostet. Erst auf seinem Sterbebett erklärte er seiner Frau verschlüsselt, wo das Gold zu finden sei. Offenbar war auch analoge Verschlüsselung schon ziemlich brauchbar oder es handelte sich um das übliche "Du verstehst mich nicht" oder "Immer hörst Du mir nie zu!". Jedenfalls hat bis heute niemand den Schatz gefunden. Viele sind losgezogen, manche sogar wieder zurückgekehrt, aber der Schatz blieb bis zum heutigen Tage verschollen.


Ab Apache Junction folgen wir dem Highway 60, der sich von Dr. Jeckyll zu Mr. Hyde entwickelt. Das ist ein Dr. Jekyll-Bild.


Kaum zu glauben, dass ich da eine Phase OHNE Trucks, Autos, Motorräder, Mähdrescher, Traktoren, Busse, Jeeps, Panzer, Flugzeugträger, Dragster, Batmobile, Autobots und Airbus A-380 gefunden habe. Unvorstellbar, was auf diesem Highway 60 los ist. Die B-12 am Freitag nachmittag ist dagegen eine verkehrsberuhigte Zone! Gottseidank hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch einen Pannenstreifen so breit wie die Adria. Auf dem Weg nach Superior ging es langsam, aber stetig höher und höher und höher. Das ist anstrengend für die Beine, aber erholsam für das Auge:


Kurz vor Superior, einer 91,7-prozentigen Geisterstadt, stießen wir auf das kleinste Museum der Welt. Das Werbeplakat war ungefähr doppelt so groß wie das Museum:



Die rote Hundehütte ist das Museum. Es hatte natürlich geschlossen, als wir da waren. Andererseits - geöffnet hätte das wenig gebracht. REIN passt da eh niemand, höchstens ein Seitenblick. Selbst ein Zwergpinscher würde in diesem Museum einen akuten Anfall an Klaustrophobie erleben.

In Superior gibt es ein einziges Motel. Nette Leute, engagiert. Aber.. als ich das Kopfkissen hochhob, raste eine offenbar aus dem Schlummer geschreckte Kakerlake auf und davon. Erst viel später und nach einer wilden Hatz mit Zahnputzbecher und Handtuch konnte ich... äh... ihrer habhaft werden. Gott, wie ich diese Viecher hasse! IIIIGITTTT. Und dann noch im Bett! Angie war unglaublich erleichtert.... weil es nicht IHR BETT war. Aber ich bin nun mal ein Held und Helden graust es nicht vor Kakerklaken. Helden fangen Klapperschlangen mit der Hand, essen Kakerlaken zum Frühstück und trinken einen Schluck Benzin dazu. Oder so.

Heute morgen klingelte der Wecker (wie zur Zeit üblich) um 04:45 Uhr. Obwohl es noch stockdunkel war, herrschte auf dem Highway 60 bereits Kolonnenverkehr. Kolonnen von Trucks! WRRRUMMMM, WRUUUUMMM, WRUUUUUMMM... Und auf dieser Corrida der Dämonen sollten wir nun knapp 600 Höhenmeter einen Pass hinaufklettern. Was sogar noch halbwegs erträglich wäre, gäbe es denn einen Seitenstreifen. Von wegen. Der Seitenstreifen endete gleich hinter Surprise (nomen est omen) und dann kam dieses... dieses... Tunnel, das wir irgendwie - fragt mich nicht wie - lebendig betreten und lebendig wieder verlassen haben. Wir schoben die Räder durch (gelaufen auf einem 20 cm breiten Gehweg und die Räder an uns gepresst). Aber selbst das brachte uns an den Rand des Irrsinns. Wenn riesige Trucks 30 - 50 Zentimeter an dir vorbeidonnern, dann wird die Welt der Wünsche überschaubar.


Als wäre das nicht alles schon genug, pferchen den Radler Leitplanken ein. Es gibt einfach keinen Ausweg. Wenn dann von hinten Trucks in Zweierreihe andonnern, fühlst Du Dich wie das Opfer in der Corrida der Dämonen (kennt nur mein Bruder Tom) oder Ian Malcolm in Jurassic Park, als er von dem T-Rex verfolgt wird. Die nebeneinander fahrenden Trucks versperren sich gegenseitig die Ausweichbahn und Du kannst Dich mit deinem verdammten Rad nur noch an die Leitplanke quetschen und hoffen. Dass hier nicht mehr passiert, ist mir ein Rätsel. Das ist immerhin die offizielle Radroute vom Pazifik zum Atlantik. Wenigstens Schilder hätten sie hinstellen können, damit die Motoristen wissen, dass da Radler unterwegs sind. Was sie aber auf dieser Strecke nicht sein sollten. Nie wieder würde ich diese 36 Kilometer zwischen Superior und Globe radeln. NIE WIEDER. Für Fotos hatte ich keinen Nerv. Da muß ich euch auf das nächste Video vertrösten. Welch eine "Corrida der Dämonen!" Jessas... Mich schüttelt es jetzt noch, Stunden später. Angie und ich haben letztlich mehr als die Häfte dieses vermaledeiten Passes die Räder geschoben, zum Schluss auf der Gegenfahrbahn, weil da die Reaktionszeiten etwas besser waren. Ich habe jetzt eine Vorstellung davon, wie sich Hasen bei der Treibjagd fühlen. Viele unangenehme Dinge gehören natürlich schon zu einer Abenteuerreise: ein Platten nach 135 Tageskilometern, ein Zeltplatz unter einer Autobahnbrücke, Klapperschlangen am Straßenrand oder meinetwegen sogar ein leeres Bier-Regal am Ende eines heißen 10-Stunden-Radeltages. Aber der Highway 60 zwischen Superior und Globe gehört nicht dazu. Abhaken? Leicht gesagt. Mein Puls ist jetzt noch auf 220 und Dinge abhaken, die ich nicht ändern kann, zählt nicht zu meinen Stärken. 

Nicht einmal die Abfahrt konnten wir richtig genießen, weil uns auch da noch die Trucks auf den Fersen waren und wir nur selten einen Seitenstreifen hatten. Aber immerhin... es ging zumindest flott dahin, und abwärts. Unten angekommen erreichten wir Miami. Miami in Arizona.


Dann kam Globe, eine Bergbaustadt mit dem Charme eines offennen Unterschenkelbruches. Und nach weiteren scheußlichen Industriestadt-Truck-Panzer Kilometern... erreichten wir San Carlos Apache Reservation. Da vorne, ganz klein noch im Bild zu sehen, radelt Squaw Angie.


Im "Best Western Apache Gold Hotel" hatten wir gestern noch ein Zimmer gebucht. Das Hotel liegt bereits 10 Kilometer im Gebiet der Apachen. Von hier aus radeln wir morgen knapp 120 Kilometer durch einsamste Wildnis. Nun hat "Best Western" ja eigentlich einen guten Namen. Seit meiner Mississippi River Tour im Jahre 2009 bin ich Mitglied in allen möglichen Hotelketten, um Punkte zu sammeln, die ich dann in Form von kostenlosen Übernachtungen einlöse. Unter anderm auch Best-Western Mitglied, mit eigener Karte und ordentlichem Punktekonto. Angie hat sich angesichts ihrer Weltreise auch einen Packen Hotelmitgliedschaftskarten zugelegt. Sie hatte dieses Hotel gebucht und als sie zwei Minuten nach dem Eincheck(versuch) mit dem "ich-fasse-es-nicht"-Blick wieder vor mit steht, ist klar, dass da etwas schief gegangen ist. Die Lady an der Rezeption hat irgendetwas von "technischen Problemen" und "kann Kreditkarteninformationen nicht lesen" gefaselt. Wir müssten bis 15:00 Uhr warten, aber selbst dann könne man nicht garantieren, dass wir eingecheckt werden. WIE BITTE? Wir haben eine Bestätigung der Buchung samt Buchungsnummer. Es ist 13:30 Uhr und die wollen uns trotz Bestätigung 90 Minuten warten lassen, und das alles "ohne Gewähr". Mein Nervenkostüm ist nach der heutigen Tor-Tour sowieso schon so dünn wie ein Negligé von Shakira. Da kommen mir die Apachen gerade recht. Ich schalte vom Hermann- in den Herminator-Mode und betrete das Hotel in dem festen Willen, es nicht mehr ohne Zimmerschlüssel zu verlassen. Als ich mich der Rezeption nähere, setze ich den "Lehrerinnen-Blick" auf, den ich mir von Angie habe beibringen lassen. Dieser Blick ist das optische Äquivalent zur Guillotine. 
Herminator zu Empfangsdame 1: "Ich weiß, dass es offenbar technische Probleme mit dem Computer gibt. Aber mir ist nicht klar, warum wir deshalb nicht ins Zimmer können. Ich hatte dieses Problem bereits ein paar Mal. Die Lösung war immer dieselbe. Wir bekamen SOFORT den Zimmerschlüssel und checkten ein, sobald der Computer wieder online war."
Empfangsdame 1: "Aber der Computer kann die Kreditkartendaten nicht lesen."
Herminator: "Wo ist das Problem? Sie notieren JETZT die Daten auf Papier, geben uns den Zimmerschlüssel und rufen an, sobald der Computer wieder funktioniert und wir holen den Check-In nach."
Empfangsdame 1: "Aber der Computer..."
Herminator (der jetzt einen Gang höher schaltet): "Wollen Sie damit sagen, dass wir noch mindestens 90 Minuten hier herumsitzen müssen und Sie uns dann vielleicht sagen, dass der Computer immer noch nicht funktioniert und wir nicht einchecken können, obwohl wir eine Buchungsbestätigung haben? Ist das der Service, den Sie ihren Kunden bieten?"
Empfangsdame 1 blickt hilfesuchend zu Empfangsdame 2 (Vorgesetzte). Empfangsdame 2 nuschelt Empfangsdame 1 etwas zu, worauf Empfangsdame 1 erneut beginnt: "Aber der Computer..."
Herminator unterbricht: "Sie brauchen keinen Computer, um mir einen Schlüssel zu geben. Wenn ich mich irre, sagen Sie mir, wo genau ich irre. Wenn nicht, dann geben Sie mir JETZT den Schlüssel." (Lehrerinnen-Blick hoch zwei)
Empfangsdame 1 und 2 blicken sich an. Rauchzeichen sehe ich zwar keine, aber sie tauschen wohl irgendwie irgendwelche Nachrichten aus. Jedenfalls greift der große Manitou ein und der Computer funktioniert plötzlich auf wundersame Weise und die Kreditkarte auch und überhaupt. Für wie dämlich halten die uns eigentlich? Kaum im Zimmer, habe ich ein Herminator-Mail an Best Western geschrieben. Jetzt bin ich mal gespannt, ob mir jemand erklären kann, was das Ganze sollte. Wenn ich keine oder keine zufriedenstellende Antwort bekomme, gibt's auf Facebook einen Artikel "Neulich bei Worst Western." :-) Das wird Best Western bestimmt gewaltig beeindrucken.

Hugh, ich habe gesprochen

Hermitou


Samstag, 21. September 2013

Phoenix, Arizona

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Wir sind in Phoenix angekommen. Ihren Spitznamen "Valley of the Sun" trägt die sechtsgrößte Stadt der USA zurecht. Hier gibt es durchschnittlich 312 Tage Sonnenschein pro Jahr. Phoenix klebt im Herzen der Sonora-Wüste und im erweiterten Stadtgebiet leben rund 4 Mio Menschen. Das weiß Wikipedia zu berichten: "Ein Drittel des Jahres (von Mitte Mai bis Mitte September) liegen die Temperaturen über 38 °C (100 °F). An den heißesten Tagen des Jahres können die Temperaturen sogar gegen 46 °C ansteigen. Die trockene Wüstenluft in Arizona macht die hohen Temperaturen jedoch etwas erträglicher („trockene Hitze“). Die Bevölkerung setzt sich der Hitze nur in geringem Maße aus – die meisten Gebäude und Fahrzeuge sind klimatisiert." Ich ergänze den letzten Satz um ein Wort: "Die EINHEIMISCHE Bevölkerung setzt...."

Weil der Radlhans wegen der Pause gelästert hat, werden wir wohl doch morgen schon wieder weiter radeln. Morgen ist nämlich Sonntag, DER Tag für Radeln in einer Metropole. Insgesamt haben wir 100 Kilometer Stadtgebiet vor uns, bevor wir das andere Ende von Phoenix erreichen. 100 Kilometer = 2 Tagesetappen (weil wir ja nur vormittags radeln können, solange wir uns im Gegensatz zur Bevölkerung der Hitze in NICHT geringem Maße aussetzen). Wenn Phoenix München wäre, dann wären wir in Allach und müssten nach Ottobrunn. Nur, dass unser Ottobrunn Apache Junction heißt. Danach... aber das kommt ja alles noch. 

Hier sind die Bilder des Tages. Nummer 1 ist die Kombination des obligatorischen Kaktus-Bildes mit dem ebenfalls obligatorischen Sonnenaufgang-Bild. Wenn es mir noch gelingt, zu Sonnenaufgang vor einem Kaktus aus meiner Wasserflasche zu trinken, wird sich mein Freund Oliver bestimt sehr freuen über ein Sonnenaufgang-Kaktus-Wasserflaschen-Bild. 


Noch ein Kaktusbild
Postamt mit Kaktussen
Nebenjob als Pizzalieferant? Nein, aber eine Pizza samt Schachtel ist eine einfache und effiziente Art, Verpflegung zu transportieren. Das Innere der Packtaschen bleibt sauber und die Pizza kommt genauso heiß aus der Schachtel wie aus dem Backofen.


Nur der Kopf eines etwa drei Zentimeter langen Nagels ist noch zu sehen. Da hilft nicht mal mehr der Schwalbe Marathon Plus. 


Nach einem stahlsplitterbedingten Platten meinerseits hat Angie nun mit mir gleichgezogen. Wenn ich jedoch berücksichtige, wieviel Müll, Glasscherben, zerfetzte Reifenteile, Drähte und sonstiges scharfkantiges oder spitzes Zeug auf den Seitenstreifen unserer bisherigen Straßen herumlag, ist diese Bilanz von zwei Platten makellos.

Bis bald...

Till Senn

Freitag, 20. September 2013

Warnwesten-Gefühle

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Das Streckenprofil sagt eigentlich schon alles: Drei-einhalb sanfte Richtungsänderungen auf 90 Kilometer. Wer noch nie in den USA war, der versuche sich folgendes vorzustellen, auch wenn es schwer fällt: 45 Kilometer kerzengeradeaus. Absolut geradeaus. Als hätte jemand eine 45 Kilometer hohe und 6 Meter breite Tafel Schokolade aus Teer aufrecht in die Landschaft gestellt - und dann einfach umfallen lassen. Nach diesen 45 Kilometern folgt in einer zurecht unbekannten Ortschaft ein sanfter Rechtsknick und es geht weitere 30 Kilometer kerzengeradeaus... UND - was sonst - leicht bergauf. 

Die heutige Etappe war die erste, die mit 90 Kilometer schon relativ nahe an die bislang noch nicht gerissene 100er-Marke kam. Wieder waren wir um 06.15 Uhr auf den Rädern und im angenehm kühlen Morgengrauen ging es mit 23 km/h ordentlich los. Aber schon kurz nach dem Ortsende von Salome begann die insgesamt 70 Kilometer lange, aber sehr sanfte Steigung, die uns dank leichtem Gegenwind auf lahme 15 km/h abbremste. Egal - bis 11:00 Uhr war alles kein Problem. Autopilot ein - und treten, treten, treten... Diese (Truthahn-?)Geier hatten ihre Radler-Straßensperre jedenfalls vergeblich aufgebaut. 


Natürlich gabs auch heute wieder beeindruckende Kaktusse zu bewundern.


Da wir ja die letzten Tage immer schon vor Sonnenaufgang unterwegs waren und immer genau IN die aufgehende Sonne radelten, macht uns das für die in der selben Richtung fahrenden Autos so gut wie unsichtbar. Ohne Pannenstreifen würde ich das gar nicht erst riskieren. Aber selbst mit Pannenstreifen werfen wir uns die schicken Warnwesten über, damit uns die Autofahrer und Trucker sehen.


Angie beklagte sich ausgiebig darüber, dass es diese Westen nur in dem langweiligen Gelb gäbe. Pink wäre doch vieeeeeel schöner. Dazu noch ein wenig eingearbeiteter Glitzerkram und das Ganze könne sich sehen lassen. Was ist das mit den Frauen und ihren Farben und dem Glitzerkram eigentlich? Egal, was gekauft werden soll, die erste Frage lautet immer: "Gibt es das auch in..." - und dann folgt irgendeine Farbe. Angie hat da diesen schönen Spruch: "Es ist pink, es glitzert, es ist sinnlos. Ich muß es haben!" Zurück zur Warnweste, deren Farbe angeblich nicht zum restlichen Outfit passt. Da gesellt sich ja gleich das nächste Problem dazu. Für einen Mann jedenfalls. Immer muß dieses zu jenem und jenes zum Rest "passen". Ich meine, was ist zum Beispiel gegen die Kombination aus Braun und Schwarz einzuwenden? Erdverbunden, stark, geheimnisvoll. Ist das etwa nichts, frage ich die Frauen dieser Welt? Wenn man als Mann Tag für Tag die Welt vor dem Untergang bewahrt, hat man keinen Nerv für passende Farben! Ist Superman jemals vor seinem Kostüm gestanden und hat gerufen "Ich habe nichts zum Anziehen?" oder "Gelb ist blöd. Gibt es das "S" nicht auch in einer anderen Farbe?" Und um den Ganzen die Krone aufzusetzen, fühlt frau sich mal nach diesen, mal nach jenen Kleindungs- und Schmuckstücken. Und diese Gefühle können sekündlich neue Richtungen einschlagen. Ich vermute, dass aus diesem Grund viele Frauen nicht schon Wochen vorher für den Urlaub packen können. Wie sollen sie heute wissen, wonach sie sich in drei oder vier Wochen fühlen? Oder morgen? Oder in fünf Minuten? Ich erinnere mich noch gut, als mein Freund Robert, Armin und ich für 2 Wochen nach Kreta flogen und beim Einchecken nur Handgepäck angaben. Jeder einen kleinen Rucksack, der farblich zu nichts passte! Die Dame am Schalter war fassungslos: "Zwei Wochen? Nur Handgepäck?" Kopfschütteln. Blick von Robert über Armin zu mir. Schulterzucken. "Guten Flug, die Herren." Das nicht ausgesprochene Wort war unüberhörbar: "MÄNNER!"

Die Sache mit dem "sich nach Klamotten fühlen" erklärt mir auch, wie Frauen es schaffen, vor einem drei Meter breiten, und zum Bersten gefüllten Kleiderschrank mit dem Blick eines Ertrinkenden zu stammeln: "Ich habe nichts zum Anziehen!" Natürlich haben Sie etwas zum Anziehen. Was Sie meinen ist, "nichts,  nach dem ich mich FÜHLE!" Weil sich Angie nicht nach einer gelben Warnweste fühlte, die zudem nicht zum restlichen Outfit passte und keinerlei Glitzerkram aufwies, durfte ich auch das Foto von ihr nicht für den Blog verwenden. "Da sehe ich ja aus, als hätte ich den gelben Sack an!" Wenn ich nächstes Mal zum Hornbach gehe, setze ich denselben Blick auf und rufe verzweifelt "Ich weiß nicht, nach welchem Akkuschrauber ich mich heute fühle!" Wenn mir der Angestellte dann einen Akkuschrauber empfiehlt, stemme ich BEIDE Händen in die Hüften: "Aber der passt doch farblich nicht zur Hilti!"

Tja, solche Überlegungen stellt man an, wenn  man 45 Kilometer kerzengeradeaus und bergauf fährt, wobei die Temperatur minütlich steigt. Am Knick bei Kilometer 45 war die einzige Siedlung auf der gesamten heutigen Etappe und in dieser Siedlung wiederum die einzige Tankstelle. Dort trafen wir Zak und John, zwei junge Tourenradler auf dem Weg nach San Diego.


Zak (links) hat sich nach einer überwundenen Krebserkrankung vorgenommen "etwas Lebendiges" zu machen. Hat seinen Job aufgegeben und ist fünf Monate mit seinem Freund durch die USA geradelt. Im nächsten Video zu dieser Tour stellen sich die beiden kurz vor.

Der Nachmittag begann damit, dass pünktlichst um 12:00 Uhr das Thermometer die 40-Grad Marke erreichte. Und noch 30 Kilometer sanft bergan bei leichtem Gegenwind. Wir mußten in immer kürzeren Intervallen Pausen einlegen, zum Schluss alle 2 - 3 Kilometer. Sobald ein halbwegs ordentlicher Baum oder großer Busch ein wenig Schatten spendete, stellten wir die Räder ab, flohen in den Schatten und versuchten, nicht zu verdampfen. Ich würde mal sagen: dunkel-oranger Bereich. Gerade noch nicht rot, aber viel hat nicht mehr gefehlt. In diesem Fall wären wir einfach bis 17:00 Uhr im Schatten geblieben und danach die restliche Strecke geradelt. Es gibt immer einen Plan B. Aber heute hat auch Plan A funktioniert und nun wissen wir, dass wir bei Temperaturen zwischen 35 und 42 Grad 90 Kilometer radeln können, WENN Wind herrscht. Ohne Wind... Aber daran mag ich nicht denken. Morgen erreichen wir Phoenix, wo wir höchstwahrscheinlich einen Pausentag einlegen.

Till Senn




Donnerstag, 19. September 2013

Kaktusse

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04:44 Uhr: Der Wecker klingelt. Im Dunklen tasten wir uns nach Quartzsite, um bei McDonalds zu frühstücken. Der Stirnlampentest fällt negativ aus. Zum Lesen ok, aber eindeutig zu wenig Saft zum Nachtradeln. Schade, aber nicht zu ändern. Trotz Funzel wir schaffen es unfallfrei bis zum McD, wo wir mangels Alternativen zwangsfrühstücken. Abgesehen davon, dass alle Restaurants um diese Jahreszeit sowieso geschlossen haben, hätten sie um diese Uhrzeit auch in der anderen Jahreszeit geschlossen. McD dagegen serviert ab Mitternacht Frühstück, bzw. das, was McD als Frühstück bezeichnet. YAMMI.


Meine "Semmel" enthält ein Spiegelei, was insofern auch völlig in Ordnung wäre, hätte man der Semmel nicht eine großzügige Portion Zimt beigemengt. Zimt und Spiegelei... Freunde, das ist eine Herausforderung für einen bayrischen Gaumen. Aber ich muß Kalorien bunkern, weil es auf den nächsten 50 Kilometern nichts gibt ausser Kaktusse, die abgesehen davon auch nicht in eine Semmel passen würden. Zum Zimt-Ei gibts ordentliche Pancakes, aberwitzige Hashbrowns und eine Halbe Kaffee. Anschließend klettern wir (wieder einmal) exakt zu Sonnenaufgang auf die Räder:  


Die nächsten 20 Autobahnkilometer teilen wir uns mit ca. 2,7 Millionen Trucks. Zugegeben, wir sind auf dem Pannenstreifen unterwegs und viele Trucks scheren freiwillig auf die Überholspur aus und erst wieder ein, wenn Sie uns längst passiert haben. Aber der Dauerlärm nagt an den Nerven. Dazu kommt, dass es diese 20 Kilometer bergauf geht und wir kriechen im Inferno der Truckerhorden nur langsam dahin. "Und warum fahrt ihr dann auf der Autobahn", fragt der Radlhans? Und ergänzt: "Dann fahr ich halt nicht auf der Autobahn, wenn ich nicht auf der Autobahn fahren mag!" Da hat der Radlhans im Prinzip völlig recht, aber ... es gibt keine Alternativen. Jedenfalls keine ohne riesige Umwege von - sagen wir 150 bis 300 Kilometern. Aus diesem Grund gilt für die Interstate 10 bis Phoenix auch eine Ausnahmegenehmigung für Radler, die ansonsten NIE NICHT auf die Autobahn dürfen. Nach 20 zähen Kilometern verlassen wir die Corrida der Dämonen und atmen auf.

Auf dem gestrigen Rastplatz hatten wir ja das Warnschild über giftige Null- und Achtbeiner gesehen. Dieser Achtbeiner ist offenbar auch auf großer Tour unterwegs. Oder es gibt zwei davon in Arizona. Oder sogar drei? Habe ich erwähnt (wie in jedem Blog und jedem Vortrag), dass ich entsetzliche Angst vor Spinnen und Schlangen habe? Null- und Achtbeiner versetzen mich in einen Zustand, den ich gar nicht mag. 


Arizona hat zwar den Beinamen "Grand Canyon State", aber eigentlich müßte es "Cactus State" heißen. Unglaublich, was hier so wächst und gedeiht. Barfuß gehen empfiehlt sich jedenfalls nicht. 






Kurz vor dem Tagesziel erreichen wir die Stadt "Hope". Nachdem alle, in Worten A.L.L.E. Lebensmittelgeschäfte, Restaurants oder Kramerladen auf den ersten 60 Kilometern dieses Tages geschlossen hatten, glaubten wir an eine Fata Morgana, als wir eine blitzsaubere Tankstelle mit einem Minimarkt sahen. Diese Hoffnung hatten wir längst aufgegeben und sogar schon unsere Wasser-Notreserven angezapft. Der Verkaufsraum war im Gegensatz zu Arizona herrlich kühl und wir plauschten und plauderten lange mit dem Tankwart.

Am Ortsausgang zeigen die Hoper, dass Sie nicht nur eine Tankstelle, sondern auch Humor haben. 

Übersetzt lautet der Abschiedsgruß soviel wie: "Sie sind nicht zu retten."
Schon vor Tagen haben wir in weiser Voraussicht in Salome, etwa 10 Kilometer beyond Hope, telefonisch ein Motel gebucht. Der Anruf war eine gute Idee, denn wir hatten den Besitzer zwar erreicht, aber in Oklahoma. Dieser hat dann aber "Cindy" alarmiert, die für uns das Motel aufsperrt und das Zimmer vorbereitet. Mit Cindy waren wir so verblieben, dass wir sie anrufen, wenn wir noch 1,5 Stunden von Salome entfernt sind. Das war meiner Schätzung nach etwa 10 Kilometer vor Hope der Fall. Unmittelbar nach dem Telefonat kam eine 10 Kilometer lange Steigung. Dann das laaaaange Gespräch mit dem Tankwart und dann die nächsten 5 Kilometer Steigung. Und so mußten wir zum Schluss hetzen, um nicht zu allzu spät anzutanzen. Ich bin an mindestens 7.358 Kaktussen achtlos vorbei gehechelt. AHHH. 6 Minuten waren wir letztlich über der Zeit und Cindy begrüßte uns mit den Worten "Perfect Timing!" Und da sitzen wir nun im Schaukelstuhl, im Schatten und im sicheren Gefühl, dass wir die morgige Etappe genauso souverän über die Bühne bringen, wie die heutige. Ohne Hektik zum Schluss.


Bis bald

Till Senn

Mittwoch, 18. September 2013

Hello Arizona!

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Ich bin ein Logistik-Gott! Aber auch ein rechter Trottel. Aber Logistik-Gott! Der Reihe nach. Angie und mir brach fast das Herz, weil wir eines der absoluten Highlights des Southern Tier aufgrund der Hitze nicht radeln konnten. Die „Imperial Sand Dunes“ oder „Algodone Dunes“, die sich gleich hinter Brawley bis hinunter zur mexikanischen Grenze erstrecken. Auf die kleine Sahara folgt eine 100 Kilometer lange, rauhe, wilde und völlig menschenleere Felsenwüste, die sich bis Palo Verde erstreckt. Von dort bis zur nächsten Stadt Blythe am Colorado River sind es noch einmal 30 Kilometer. Von Brawley bis Blythe also insgesamt 158 Kilometer „without services“, nachdem vor kurzem auch das allerletzte Restaurant in Palo Verde schließen mußte. 

Also nix durch Dünen düsen. Stattdessen zurück nach El Centro radeln, wo ich ein Mietauto - einen dicken, fetten SUV - abhole, in dem die Räder, das Gepäck, Angie, ich und die erste Mannschaft der "San Diego Chargers" Platz finden. Das traf sich wirklich ganz gut, weil die Jungs gerade in Richtung Phoenix unterwegs waren, aber Greyhound mal wieder einen Bus mit kaputter Klimaanlage ankarrte. Als die Spieler so hilflos am Straßenrand rumstanden, bin ich natürlich rechts rangefahren: „You guys need a lift?“ Nette Jungs, die Chargers, ehrlich. Und so mitfühlend. Was haben wir geweint, als wir an diesen Kulissen vorbeifuhren: und zwar im AUTO statt auf dem Rad (buhu!)




In Blythe eine kurze Nacht geschlafen und am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe wieder denselben weg zurück (BUHU!) und das Mietauto zurückgegeben. Dann zur Greyhund Station. Wo mich die Dame am Schalter freundlich, aber bestimmt darauf hinwies, das mein stolz vorgezeigtes Ticket für GESTERN ausgestellt sei. Das war der Trottel-Teil. Aha, Soso. Nochmal 50 Dollar für ein Ticket bezahlt, 2 Stunden in einem Wartesaal gesessen, der eine Mischung aus einer Wertstoffhof-Installation und einer öffentlichen Toilette war, um anschließend die erste von zwei Etappen (bis Indio) reibungslos hinter mich zu bringen. In Indio dann 3,5 Stunden in einem sauberen Wartesaal im Innern eines Wohnmobilanhängers auf den nächsten Bus gewartet. Jedesmal wenn am Gleis neben dem Container ein Zug vorbeidonnerte, fühlte ich mich in die Szene aus „Blues Brothers“ zurückversetzt. Die mit der U-Bahn und dem Toaster.

Dann kam der Bus, vermutlich der von den San Diego Chargers. Jedenfalls ist die Klimaanlage kurz vor der Abfahrt ausgefallen. 47 Grad Außentemperatur, ein vollbesetzter Bus. Was tun? Warten. Dann Abfahrt und die Information „Sorry. Air out. Maybe we can do something in Phoenix. You don’t want to go to El Paso without air, eh? Hähähä.“ Das Echo auf den Humor des Busfahrers war, sagen wir, geteilt. Zwei haben gelacht, 47 nicht. Dann hatte der Busfahrer die Eingebung des Tages. Vermutlich hat er mal einen Flugzeugkatastrophenfilm gesehen, wo immer irgendwann irgendeine Stewardess über Mikro sagt: „Es besteht kein Grund zur Panik. Aber ist zufällig ein Arzt unter den Passagieren?“ Woraufhin alle sofort in Panik ausbrechen. 

Nur dass unser Busfahrer eine glänzende Transferleistung vollbrachte, indem er nach einem Mechaniker fragte. Es war tatsächlich einer an Bord („Lassen Sie mich durch, ich bin KFZ-Mechaniker!“), der sich sofort ans Werk machte und mit der Unterstützung anderer Fahrgäste und deren Schraubenziehern, Messern, Drahtspulen, Feilen, Sägen, Äxten, Motorsägen, Bohrhämmer und was weiß der Himmel noch alles hier was öffnete, dort was schloss, dann ein wenig hämmerte, drückte, zog, fluchte, schob, fluchte, bohrte, schraubte, verschloss und einmal kräftig mit der Faust von außen auf das Teil drosch. Wuuuuuusch… war die Antwort der Klimaanlage als sie ansprang. Männer warfen ihre Hüte in die Luft, Frauen kreischten hysterisch „Hurra“ und "Hoch soll er leben!“. Es herrschte insgesamt eine Atmosphäre wie nach einem knapp überstandenen Luftangriff. Was es ja auch war: Heiße Luft. Dass kalte Luft so sehr verbrüdern kann, hätte ich niemals geglaubt. Viel hätte nicht gefehlt, und amerikanische Amerikaner, indianische Amerikaner, schwarze Amerikaner, mexikanische Amerikaner, chinesische Amerikaner und ein Bayer wären sich in einem Greyhoundbus bei 105 km/h auf der I-10 irgendwo zwischen Indio und Blythe in den Armen gelegen. In solchen Situationen wird jeder zu deinem besten Freund, der nicht bei Drei in der Hutablage ist. 

Lieber Florian P. aus Altötting. Falls Du diesen Beitrag jemals liest, überlege Dir doch einmal eine Karriere als „Mobile Greyhound Wizard“. Du fährst in Bussen kreuz und quer durch dieses wunderbare, unendliche Land, darfst ständig technische Probleme lösen und wirst anschließend von den Leuten um dich herum behandelt wie Jesus am Palmsonntag. (Lassen wir an dieser Stelle den Karfreitag mal außer acht). Um Arbeit und technische Herausforderungen brauchst Du Dir keine Sorgen machen. Greyhound wird’s schon nicht richten.

Nach 14 Stunden Warter- und Reiserei verlasse ich den Bus in Blythe hungrig und müde, aber in der Gewissheit, Dinge erlebt zu haben, die Du nie und nimmer in einem All-Inclusive Hotel oder am Strand erlebst. Während ich zu Fuß von der Greyhound-Station zum Hotel trotte, quengeln die aller-aller-allerletzten Sonnenstrahlen: „Noch eine Geschichte, nur eine kurze!“ 
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04:55 Uhr: Wecker läutet
04:55:01 Uhr: Hermann ist aus dem Bett
05:07:00 Uhr: Angie ist aus dem Bett
Waschen (2 min, oder so), packen (20 min), frühstücken (gemütlichst). Um 06:20 Uhr machen wir uns gerade rechtzeitig zum Sonnenaufgang auf den Weg.

Angie, auf und davon
Die ersten Kilometer dieses neuen Tages sind gleichzeitig auch die letzten Kilometer in Kalifornien. Kurz nach Blythe überqueren wir den Colorado River - und sind in Arizona, dem „Grand Canyon State“. 



AUFGEMERKT! Es folgt ein Häppchen Wissen für die Freunde von Studiosus Reisen! Man soll mir nicht nachsagen, ich würde einfach nur kulturlos durch die Gegend radeln. Gut mitschreiben! Wenn ich im Februar wieder zurück bin, frage ich ab. Also: Der Stamm der „Tohono O'Odham“ (übersetzt: „Volk der Wüste“) ist vor vielen vielen Jahren hier in Arizona eingezogen. Das Volk der Wüste gibt es immer noch und es spricht drei Sprachen: O'Odham ha-ñeʼokĭ, O'Ottham ha-neoki oder O'Odham ñiok. Wie wir aus Heimatkunde alle wissen, zählt das zu den Pimic-Sprachen (oder Tepiman) und gehört zum südlichen Zweig der uto-aztekischen Sprachfamilie. Und wer ganz genau aufgepasst hat, der weiß natürlich, dass es innerhalb dieser Sprache sechs Dialekte gibt: Tohono O'Odham, Cukuḍ-Kuk-Dialekt, Gigimai-Dialekt, Huhuʼula-Dialekt, Huhuwoṣ-Dialekt, Totoguani-Dialekt. Ich werde diese Vielfalt um einen weiteren Dialekt bereichern: Bayrisches Englisch, das, wie mir eine mitreisende Englischlehrerin versichert, phonetisch irgendwo zwischen dem Huhuʼula-Dialekt und dem Totoguani-Dialekt einzuordnen sei. Ich, Heronimo! Das erste, das ich dem Volk der Wüste beibringe, ist die bayrische Version von „Hugh, ich habe gesprochen“, die da lautet: „Mehr sog i ned!“ Und wenn sie brav sind, dürfen sie dasselbe noch auf Österreichisch lernen: „Hearst!“
  
Mangels Alternativen müssen/dürfen wir gleich nach der Colorado-Brücke wieder ein ordentliches Stück auf der Autobahn radeln. Rund 30 Kilometer geht es aufwärts. Nicht steil, aber kontinuierlich. Selten habe ich mich so über bergauf radeln gefreut. Denn oben ist es kühler als unten. Bei angenehmen 30 Grad steuern wir eine einladende Autobahn-Raststation an, verzichten aber nach der Lektüre dieses Hinweisschildes auf einen Spaziergang im Gelände.


Angesichts der völlig absurden Temperaturen der letzten Tage mit Höchsttemperaturen knapp unter 50 Grad Celsius haben wir uns zu einer superkurzen Frühmorgen-Etappe entschlossen. Nur knapp 40 Kilometer. Wir wußten ja nicht, was uns erwartet. Und so checken wir schon um 09:40 Uhr im Super8 Motel in Quartzsite ein. Hätten wir gewußt, dass die Temperaturen a) insgesammt offenbar auf dem Rückzug sind und b) wir in einer Höhe von lumpigen 400 Metern deutlich angenehmere Grade verzeichnen als unten in der Wüste, dann hätten wir… Egal, war haben nicht und bis Phoenix sind es noch drei sorgsam geplante Sicherheitsetappen. Jeder von uns beiden schleppt 10 Liter Wasser und 5 Kilo Müsliriegel und genug Brotzeit für die San Diego Chargers und ihre Gegner mit. „Wenn wos war, dass ma wos hätt.“

Morgen werden wir den Wecker auf 04:40 stellen und übermorgen noch früher. Nachtradeln ist angesagt. Stirn- und Taschenlampen, Rückleuchten und Warnwesten machen das möglich. So ausgerüstet hoffen wir die letzten paar Etappen durch die Sonorawüste problemlos zu meistern. Hinter Phoenix geht’s erstens Richtung Oktober und zweitens in die Berge, wo die Temperaturen dann hoffentlich wirklich lange Radeltage erlauben. 

Tja, was lässt sich zu Quartzsite sagen? Hm…, also der Bär ist nicht los hier, eher die Schnecke. Quartzsite hält im Sommer Winterschlaf. Hochsaison herrscht von November bis März. Aber nicht, weil dann Schnee hier läge, sondern weil hier KEIN Schnee liegt. Am 18.09.2013 sah es so aus (Die Auswahl der Bilder ist leicht tendenziös, deshalb aber nicht falsch!):

Hier wohnt "Sarge" aus dem Film "Cars"
Angie muß natürlich zum Modeladen
Für heute geschlossen
Jugendzentrum
Kindergarten
Hier wohnt "Doc Hudson" aus dem Film "Cars"
Vor der Disco
Ein Auto, das mit den Augen lächeln kann
Modern! Frauenparkplätze
Ab Oktober fallen aus Kanada und den nördlichen Bundesstaaten der USA marodierende Rentnerhorden in ihren reihenhausgroßen Wohnmobilen wie Heuschreckenschwärme über Quartzsite her. Bis Ende März stören die "Snowbirds" dann die öffentliche Ruhe und Sicherheit mit Bingo-Orgien und Rollator-Ralleys. Aber nicht nur der warme Winter, auch Quartzsites Edelsteinbörsen ziehen im Januar und Februar bis zu einer Million (in Worten: 1.000.000) Besucher an. 

Tja, und dann ist da noch dieses YouTube Video, das zeigt, wie „die Quartzsite-Einwohnerin Jennifer Jones auf Geheiß einzelner Stadtratsmitglieder – und gegen den erklärten Willen des Bürgermeisters – durch örtliche Polizisten angegriffen und verhaftet wird, nachdem sie während einer Stadtratssitzung im Rahmen der Einwohnerfragestunde den Rat der Korruption und des Gesetzesbruches beschuldigte.“… „Nachdem das Video einer breiten Öffentlichkeit bekannt und der Vorfall auch durch die traditionellen Medien aufgegriffen wurde, traf sich der Stadtrat zu einer Geheimsitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit und beschloss sowohl die Absetzung des Bürgermeisters als auch die Ausrufung des Notstandes. Der Bürgermeister, Ed Foster, bezichtigt die örtlichen Behörden und den Stadtrat der Korruption sowie der Veruntreuung und Unterschlagung kommunaler Steuermittel. Stadtratsmitglieder wiesen die Vorwürfe zurück.“ [Quelle: Wikipedia] 

Edelsteinbörsen also! Und 1 Mio Touristen. Und Tausende von reichen Snowbirds mit einer überschaubaren Restlaufzeit. Kurz: Viel Geld auf der einen und ein paar Provinz-Politiker auf der anderen Seite. Und da soll es Korruption geben? NIEMALS! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ich betone hier ausdrücklich, dass es keine Rolle spielt, ob provinziell, regional oder national: Politiker sind weltweit immer und überall vom Scheitel bis zur Sohle, innen und außen - integer, sauber, ehrlich, verantwortungsbewußt, selbstlos, kleben nicht an der Macht, sind nicht narzistisch veranlagt und haben immer und überall ausschließlich das Wohl derjenigen im Sinn, die sie zu diesem Zweck dorthin gewählt haben, wo sie jetzt sitzen. Bayern ist wirklich überall. Jetzt fehlt nur noch, dass ein Quartzsiter Stadtrat die seit Jahren illgeal beschäftigte Putzfrau aus dem Stamm der „Tohono O'Odham“ mit Edelsteinen entlohnt, die kanadische Rentnersyndikate in den Griffen ihrer Rollatoren eingeschmuggelt und beim Power-Bingo gegen die örtliche Motorrad-Rockervereinigung „The Hellish 90+“ verloren hat.

Till Senn