Mittwoch, 25. September 2013

Apache Trail - Auf dem Pfad der Apachen

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Im Augenblick kann ich nicht sagen, ob mir nach Heulen, Lachen, Fluchen, Frohlocken, Schlafen, Betrinken oder Essen ist. Oder nach allem zusammen (aber in welcher Reihenfolge?). Es ist Mittwoch, 25.9., 15:40 Uhr Ortszeit. Angie und ich sind, von Mückenstichen abgesehen, auf wundersame Weise unversehrt geblieben und haben vor 10 Minuten das "Best Western Apache Gold Hotel" im San Carlos Apache Reservation erreicht. Mehr Tage wie diesen brauche ich aber nicht. Der reicht für zwei bis drei Re-Inkarnation.

Der Reihe nach: Seit unserer Ankunft in Phoenix haben wir 210 Kilometer zurückgelegt, von denen die ersten 100 allein auf die Durchquerung des Stadtgebietes entfallen. Von Allach (Surprise) nach Ottobrunn (Apache Junction), ihr erinnert euch, ja? 


Apache Junction befindet sich - wie viele Städte hier im Süden Arizonas - im Sommer im Winterschlaf und läuft im Winter auf Hochtouren. "Snowbirds", ihr erinnert euch. Die Einwohnerzahl vervielfältigt sich hier im Winter um das 10-fache. Soweit so gut, aber warum heißt Apache Junction Apache Junction? Apache Junction heißt Apache Junction, weil die Siedlung (Sommer) / Großstadt (Winter) an der Kreuzung von "Apache Trail" und "Highway 60" liegt. (Altötting hieße dann demnach "B 12-Junction")

Apache Junction ist bekannt wegen seiner 'Superstition Mountains',der "Aberglaube-Berge". Die Apachen glaubten, dass in diesen Bergen der Einstieg in die Unterwelt verborgen wäre. Warum erinnert mich das sofort an die Tilly Gruft in Altötting? Genau! Wegen "Aberglaube" und "Unterwelt". Die Tiefgarage hinter dem Altöttinger Forum wäre demnach der Hades (Ἅιδης) und der Möhrenbach der Styx (Στύξ), das "Wasser des Grauens"). Den Fährmann Charon (Χάρων) findet man dann im Gasthof zur Post am Kapellplatz. Münzen nimmt man dort jedenfalls gerne und in Hülle und Fülle entgegen.

Die Superstition Mountains spielen eine wichtige Rolle in der Legende Lost Dutchman's Goldmine (Die verlorene Goldmine des Holländers). Besagter Holländer war allerdings ein Deutscher. Aber wenn ein Deutscher ohne Englischkenntnisse zu einem Amerikaner sagt: "Ich bin deutsch", dann hört der Amerikaner ohne Deutschkenntnisse "I am Dutch", und das heißt "Ich bin Holländer". Ein wenig stille Post auf apachisch - und schon wird der Deutsche zum Holländer. Der Legende nach hat also ein namentlich nicht näher benannter deutscher Einwanderer mit mäßigen Englischkenntnissen eine unvorstellbare Menge Gold in den Bergen hinter Apache Junction gefunden. Aus verständlichen Gründen hat er genaue Angaben zum Fundort nicht auf Facebook gepostet. Erst auf seinem Sterbebett erklärte er seiner Frau verschlüsselt, wo das Gold zu finden sei. Offenbar war auch analoge Verschlüsselung schon ziemlich brauchbar oder es handelte sich um das übliche "Du verstehst mich nicht" oder "Immer hörst Du mir nie zu!". Jedenfalls hat bis heute niemand den Schatz gefunden. Viele sind losgezogen, manche sogar wieder zurückgekehrt, aber der Schatz blieb bis zum heutigen Tage verschollen.


Ab Apache Junction folgen wir dem Highway 60, der sich von Dr. Jeckyll zu Mr. Hyde entwickelt. Das ist ein Dr. Jekyll-Bild.


Kaum zu glauben, dass ich da eine Phase OHNE Trucks, Autos, Motorräder, Mähdrescher, Traktoren, Busse, Jeeps, Panzer, Flugzeugträger, Dragster, Batmobile, Autobots und Airbus A-380 gefunden habe. Unvorstellbar, was auf diesem Highway 60 los ist. Die B-12 am Freitag nachmittag ist dagegen eine verkehrsberuhigte Zone! Gottseidank hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch einen Pannenstreifen so breit wie die Adria. Auf dem Weg nach Superior ging es langsam, aber stetig höher und höher und höher. Das ist anstrengend für die Beine, aber erholsam für das Auge:


Kurz vor Superior, einer 91,7-prozentigen Geisterstadt, stießen wir auf das kleinste Museum der Welt. Das Werbeplakat war ungefähr doppelt so groß wie das Museum:



Die rote Hundehütte ist das Museum. Es hatte natürlich geschlossen, als wir da waren. Andererseits - geöffnet hätte das wenig gebracht. REIN passt da eh niemand, höchstens ein Seitenblick. Selbst ein Zwergpinscher würde in diesem Museum einen akuten Anfall an Klaustrophobie erleben.

In Superior gibt es ein einziges Motel. Nette Leute, engagiert. Aber.. als ich das Kopfkissen hochhob, raste eine offenbar aus dem Schlummer geschreckte Kakerlake auf und davon. Erst viel später und nach einer wilden Hatz mit Zahnputzbecher und Handtuch konnte ich... äh... ihrer habhaft werden. Gott, wie ich diese Viecher hasse! IIIIGITTTT. Und dann noch im Bett! Angie war unglaublich erleichtert.... weil es nicht IHR BETT war. Aber ich bin nun mal ein Held und Helden graust es nicht vor Kakerklaken. Helden fangen Klapperschlangen mit der Hand, essen Kakerlaken zum Frühstück und trinken einen Schluck Benzin dazu. Oder so.

Heute morgen klingelte der Wecker (wie zur Zeit üblich) um 04:45 Uhr. Obwohl es noch stockdunkel war, herrschte auf dem Highway 60 bereits Kolonnenverkehr. Kolonnen von Trucks! WRRRUMMMM, WRUUUUMMM, WRUUUUUMMM... Und auf dieser Corrida der Dämonen sollten wir nun knapp 600 Höhenmeter einen Pass hinaufklettern. Was sogar noch halbwegs erträglich wäre, gäbe es denn einen Seitenstreifen. Von wegen. Der Seitenstreifen endete gleich hinter Surprise (nomen est omen) und dann kam dieses... dieses... Tunnel, das wir irgendwie - fragt mich nicht wie - lebendig betreten und lebendig wieder verlassen haben. Wir schoben die Räder durch (gelaufen auf einem 20 cm breiten Gehweg und die Räder an uns gepresst). Aber selbst das brachte uns an den Rand des Irrsinns. Wenn riesige Trucks 30 - 50 Zentimeter an dir vorbeidonnern, dann wird die Welt der Wünsche überschaubar.


Als wäre das nicht alles schon genug, pferchen den Radler Leitplanken ein. Es gibt einfach keinen Ausweg. Wenn dann von hinten Trucks in Zweierreihe andonnern, fühlst Du Dich wie das Opfer in der Corrida der Dämonen (kennt nur mein Bruder Tom) oder Ian Malcolm in Jurassic Park, als er von dem T-Rex verfolgt wird. Die nebeneinander fahrenden Trucks versperren sich gegenseitig die Ausweichbahn und Du kannst Dich mit deinem verdammten Rad nur noch an die Leitplanke quetschen und hoffen. Dass hier nicht mehr passiert, ist mir ein Rätsel. Das ist immerhin die offizielle Radroute vom Pazifik zum Atlantik. Wenigstens Schilder hätten sie hinstellen können, damit die Motoristen wissen, dass da Radler unterwegs sind. Was sie aber auf dieser Strecke nicht sein sollten. Nie wieder würde ich diese 36 Kilometer zwischen Superior und Globe radeln. NIE WIEDER. Für Fotos hatte ich keinen Nerv. Da muß ich euch auf das nächste Video vertrösten. Welch eine "Corrida der Dämonen!" Jessas... Mich schüttelt es jetzt noch, Stunden später. Angie und ich haben letztlich mehr als die Häfte dieses vermaledeiten Passes die Räder geschoben, zum Schluss auf der Gegenfahrbahn, weil da die Reaktionszeiten etwas besser waren. Ich habe jetzt eine Vorstellung davon, wie sich Hasen bei der Treibjagd fühlen. Viele unangenehme Dinge gehören natürlich schon zu einer Abenteuerreise: ein Platten nach 135 Tageskilometern, ein Zeltplatz unter einer Autobahnbrücke, Klapperschlangen am Straßenrand oder meinetwegen sogar ein leeres Bier-Regal am Ende eines heißen 10-Stunden-Radeltages. Aber der Highway 60 zwischen Superior und Globe gehört nicht dazu. Abhaken? Leicht gesagt. Mein Puls ist jetzt noch auf 220 und Dinge abhaken, die ich nicht ändern kann, zählt nicht zu meinen Stärken. 

Nicht einmal die Abfahrt konnten wir richtig genießen, weil uns auch da noch die Trucks auf den Fersen waren und wir nur selten einen Seitenstreifen hatten. Aber immerhin... es ging zumindest flott dahin, und abwärts. Unten angekommen erreichten wir Miami. Miami in Arizona.


Dann kam Globe, eine Bergbaustadt mit dem Charme eines offennen Unterschenkelbruches. Und nach weiteren scheußlichen Industriestadt-Truck-Panzer Kilometern... erreichten wir San Carlos Apache Reservation. Da vorne, ganz klein noch im Bild zu sehen, radelt Squaw Angie.


Im "Best Western Apache Gold Hotel" hatten wir gestern noch ein Zimmer gebucht. Das Hotel liegt bereits 10 Kilometer im Gebiet der Apachen. Von hier aus radeln wir morgen knapp 120 Kilometer durch einsamste Wildnis. Nun hat "Best Western" ja eigentlich einen guten Namen. Seit meiner Mississippi River Tour im Jahre 2009 bin ich Mitglied in allen möglichen Hotelketten, um Punkte zu sammeln, die ich dann in Form von kostenlosen Übernachtungen einlöse. Unter anderm auch Best-Western Mitglied, mit eigener Karte und ordentlichem Punktekonto. Angie hat sich angesichts ihrer Weltreise auch einen Packen Hotelmitgliedschaftskarten zugelegt. Sie hatte dieses Hotel gebucht und als sie zwei Minuten nach dem Eincheck(versuch) mit dem "ich-fasse-es-nicht"-Blick wieder vor mit steht, ist klar, dass da etwas schief gegangen ist. Die Lady an der Rezeption hat irgendetwas von "technischen Problemen" und "kann Kreditkarteninformationen nicht lesen" gefaselt. Wir müssten bis 15:00 Uhr warten, aber selbst dann könne man nicht garantieren, dass wir eingecheckt werden. WIE BITTE? Wir haben eine Bestätigung der Buchung samt Buchungsnummer. Es ist 13:30 Uhr und die wollen uns trotz Bestätigung 90 Minuten warten lassen, und das alles "ohne Gewähr". Mein Nervenkostüm ist nach der heutigen Tor-Tour sowieso schon so dünn wie ein Negligé von Shakira. Da kommen mir die Apachen gerade recht. Ich schalte vom Hermann- in den Herminator-Mode und betrete das Hotel in dem festen Willen, es nicht mehr ohne Zimmerschlüssel zu verlassen. Als ich mich der Rezeption nähere, setze ich den "Lehrerinnen-Blick" auf, den ich mir von Angie habe beibringen lassen. Dieser Blick ist das optische Äquivalent zur Guillotine. 
Herminator zu Empfangsdame 1: "Ich weiß, dass es offenbar technische Probleme mit dem Computer gibt. Aber mir ist nicht klar, warum wir deshalb nicht ins Zimmer können. Ich hatte dieses Problem bereits ein paar Mal. Die Lösung war immer dieselbe. Wir bekamen SOFORT den Zimmerschlüssel und checkten ein, sobald der Computer wieder online war."
Empfangsdame 1: "Aber der Computer kann die Kreditkartendaten nicht lesen."
Herminator: "Wo ist das Problem? Sie notieren JETZT die Daten auf Papier, geben uns den Zimmerschlüssel und rufen an, sobald der Computer wieder funktioniert und wir holen den Check-In nach."
Empfangsdame 1: "Aber der Computer..."
Herminator (der jetzt einen Gang höher schaltet): "Wollen Sie damit sagen, dass wir noch mindestens 90 Minuten hier herumsitzen müssen und Sie uns dann vielleicht sagen, dass der Computer immer noch nicht funktioniert und wir nicht einchecken können, obwohl wir eine Buchungsbestätigung haben? Ist das der Service, den Sie ihren Kunden bieten?"
Empfangsdame 1 blickt hilfesuchend zu Empfangsdame 2 (Vorgesetzte). Empfangsdame 2 nuschelt Empfangsdame 1 etwas zu, worauf Empfangsdame 1 erneut beginnt: "Aber der Computer..."
Herminator unterbricht: "Sie brauchen keinen Computer, um mir einen Schlüssel zu geben. Wenn ich mich irre, sagen Sie mir, wo genau ich irre. Wenn nicht, dann geben Sie mir JETZT den Schlüssel." (Lehrerinnen-Blick hoch zwei)
Empfangsdame 1 und 2 blicken sich an. Rauchzeichen sehe ich zwar keine, aber sie tauschen wohl irgendwie irgendwelche Nachrichten aus. Jedenfalls greift der große Manitou ein und der Computer funktioniert plötzlich auf wundersame Weise und die Kreditkarte auch und überhaupt. Für wie dämlich halten die uns eigentlich? Kaum im Zimmer, habe ich ein Herminator-Mail an Best Western geschrieben. Jetzt bin ich mal gespannt, ob mir jemand erklären kann, was das Ganze sollte. Wenn ich keine oder keine zufriedenstellende Antwort bekomme, gibt's auf Facebook einen Artikel "Neulich bei Worst Western." :-) Das wird Best Western bestimmt gewaltig beeindrucken.

Hugh, ich habe gesprochen

Hermitou


2 Kommentare:

  1. Ah, Hermann, ich mag es wenn Du leidest ... also jetzt nicht persönlich, sondern so schreibmäßig dann.
    Zwei Bitten:
    a) den Brief an Worst Western bloggen (Neugier!)
    b) Foto von Deinem Lehrerinnen-Blick (sexy?)

    Und: "Corrida der Dämonen" von Dan Shocker kenn ich tatsächlich auch. In schlechter Literatur war ich schon immer gut. Mal aus dem Gedächtnis zitiert: ""X-RAY-1 an X-RAY-3. Hallo, X-RAY-3 können Sie mich hören?" Der Mann, an dem mit zahlreichen technischen Anlagen versehenen Schreibtisch, hatte die Stirn in Falten gelegt. Die Augen hinter der dunklen Brille des blinden Leiters der PSA waren halb geschlossen. Über den geheimen Sender wurden die Impulse zum PSA eigenen Satellit getragen und von dort aus auf einer nur für die PSA bestimmten Frequenz in alle Welt gefunkt. Larry Brent hätte sich jetzt melden müssen. Doch das war nicht der Fall. Auf dem betreffenden Kanal herrschte absolute Funkstille. Seit drei Tagen gab es von Larry Brent kein Lebenszeichen! Seine letzte Aktion war in Mexiko City über die Bühne gegangen. Dort hatte er vor zweiundsiebzig Stunden das Hotel gewechselt. Aus welchem Grund, wußte man hier nicht, dafür gab es keine plausible Erklärung innerhalb der PSA. Larrys letzte Adresse in Mexiko City war das mondäne Hotel Teotihuacan gewesen. Die Computer waren aktiviert und arbeiteten auf Hochtouren. Die Wahrscheinlichkeit, daß Larry Brent nicht mehr lebte, war gegeben. Ein Alarmplan trat in Aktion." Und wem bei PSA grad irgendeine Assoziation kommt: Dan Shocker wusste das alles natürlich früher schon. Und das mit dem Alarmplan ist natürlich für Euch auch ein guter Tipp ...

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  2. Lehrerinnen-Blick das ist schon mal gut Hermitou...
    nur Du hast vergessen Dir die Nägel vorher pink anzumalen dann hätts vielleicht eher geklappt... *lach
    Nix für ungut ;o)
    Monika

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