Donnerstag, 19. September 2013

Kaktusse

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04:44 Uhr: Der Wecker klingelt. Im Dunklen tasten wir uns nach Quartzsite, um bei McDonalds zu frühstücken. Der Stirnlampentest fällt negativ aus. Zum Lesen ok, aber eindeutig zu wenig Saft zum Nachtradeln. Schade, aber nicht zu ändern. Trotz Funzel wir schaffen es unfallfrei bis zum McD, wo wir mangels Alternativen zwangsfrühstücken. Abgesehen davon, dass alle Restaurants um diese Jahreszeit sowieso geschlossen haben, hätten sie um diese Uhrzeit auch in der anderen Jahreszeit geschlossen. McD dagegen serviert ab Mitternacht Frühstück, bzw. das, was McD als Frühstück bezeichnet. YAMMI.


Meine "Semmel" enthält ein Spiegelei, was insofern auch völlig in Ordnung wäre, hätte man der Semmel nicht eine großzügige Portion Zimt beigemengt. Zimt und Spiegelei... Freunde, das ist eine Herausforderung für einen bayrischen Gaumen. Aber ich muß Kalorien bunkern, weil es auf den nächsten 50 Kilometern nichts gibt ausser Kaktusse, die abgesehen davon auch nicht in eine Semmel passen würden. Zum Zimt-Ei gibts ordentliche Pancakes, aberwitzige Hashbrowns und eine Halbe Kaffee. Anschließend klettern wir (wieder einmal) exakt zu Sonnenaufgang auf die Räder:  


Die nächsten 20 Autobahnkilometer teilen wir uns mit ca. 2,7 Millionen Trucks. Zugegeben, wir sind auf dem Pannenstreifen unterwegs und viele Trucks scheren freiwillig auf die Überholspur aus und erst wieder ein, wenn Sie uns längst passiert haben. Aber der Dauerlärm nagt an den Nerven. Dazu kommt, dass es diese 20 Kilometer bergauf geht und wir kriechen im Inferno der Truckerhorden nur langsam dahin. "Und warum fahrt ihr dann auf der Autobahn", fragt der Radlhans? Und ergänzt: "Dann fahr ich halt nicht auf der Autobahn, wenn ich nicht auf der Autobahn fahren mag!" Da hat der Radlhans im Prinzip völlig recht, aber ... es gibt keine Alternativen. Jedenfalls keine ohne riesige Umwege von - sagen wir 150 bis 300 Kilometern. Aus diesem Grund gilt für die Interstate 10 bis Phoenix auch eine Ausnahmegenehmigung für Radler, die ansonsten NIE NICHT auf die Autobahn dürfen. Nach 20 zähen Kilometern verlassen wir die Corrida der Dämonen und atmen auf.

Auf dem gestrigen Rastplatz hatten wir ja das Warnschild über giftige Null- und Achtbeiner gesehen. Dieser Achtbeiner ist offenbar auch auf großer Tour unterwegs. Oder es gibt zwei davon in Arizona. Oder sogar drei? Habe ich erwähnt (wie in jedem Blog und jedem Vortrag), dass ich entsetzliche Angst vor Spinnen und Schlangen habe? Null- und Achtbeiner versetzen mich in einen Zustand, den ich gar nicht mag. 


Arizona hat zwar den Beinamen "Grand Canyon State", aber eigentlich müßte es "Cactus State" heißen. Unglaublich, was hier so wächst und gedeiht. Barfuß gehen empfiehlt sich jedenfalls nicht. 






Kurz vor dem Tagesziel erreichen wir die Stadt "Hope". Nachdem alle, in Worten A.L.L.E. Lebensmittelgeschäfte, Restaurants oder Kramerladen auf den ersten 60 Kilometern dieses Tages geschlossen hatten, glaubten wir an eine Fata Morgana, als wir eine blitzsaubere Tankstelle mit einem Minimarkt sahen. Diese Hoffnung hatten wir längst aufgegeben und sogar schon unsere Wasser-Notreserven angezapft. Der Verkaufsraum war im Gegensatz zu Arizona herrlich kühl und wir plauschten und plauderten lange mit dem Tankwart.

Am Ortsausgang zeigen die Hoper, dass Sie nicht nur eine Tankstelle, sondern auch Humor haben. 

Übersetzt lautet der Abschiedsgruß soviel wie: "Sie sind nicht zu retten."
Schon vor Tagen haben wir in weiser Voraussicht in Salome, etwa 10 Kilometer beyond Hope, telefonisch ein Motel gebucht. Der Anruf war eine gute Idee, denn wir hatten den Besitzer zwar erreicht, aber in Oklahoma. Dieser hat dann aber "Cindy" alarmiert, die für uns das Motel aufsperrt und das Zimmer vorbereitet. Mit Cindy waren wir so verblieben, dass wir sie anrufen, wenn wir noch 1,5 Stunden von Salome entfernt sind. Das war meiner Schätzung nach etwa 10 Kilometer vor Hope der Fall. Unmittelbar nach dem Telefonat kam eine 10 Kilometer lange Steigung. Dann das laaaaange Gespräch mit dem Tankwart und dann die nächsten 5 Kilometer Steigung. Und so mußten wir zum Schluss hetzen, um nicht zu allzu spät anzutanzen. Ich bin an mindestens 7.358 Kaktussen achtlos vorbei gehechelt. AHHH. 6 Minuten waren wir letztlich über der Zeit und Cindy begrüßte uns mit den Worten "Perfect Timing!" Und da sitzen wir nun im Schaukelstuhl, im Schatten und im sicheren Gefühl, dass wir die morgige Etappe genauso souverän über die Bühne bringen, wie die heutige. Ohne Hektik zum Schluss.


Bis bald

Till Senn

1 Kommentar:

  1. Wünsche Euch noch viel Spaß bei der stacheligen Angelegenheit.
    Lg Monika

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