Donnerstag, 8. August 2013

1017 mal geschlafen

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Gut, dass der Radlhans in Bolivien ist. Der würde sich heute nämlich bitter darüber beschweren, dass ich mich über nichts beschwere. Weder über irgendwen, noch irgendwas. Der gute Radlhans wünscht mir ja von Herzen alles erdenkliche Unglück, auf dass er beim Lesen was zu lachen hat. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde. Und überhaupt, Herr RADLHANS. Nicht, dass es mich nicht maßlos geärgert hätte, als nach knapp 20 Kilometer eine Halterung der Packtaschen ausgerissen ist oder dass die Videokamera plötzlich einen "massiven Datenfehler" gemeldet hat. Diese Fehlermeldung war so exquisit dämlich, dass sie glatt von Microsoft hätte sein können. Egal - beide Probleme sind behoben (mehr oder weniger). Die Tasche ist am Rad, die Kamera filmt und die Herren Waldorf und Statler bleiben heute ruhig. Und damit zu den Meldungen des Tages...

Am 26.10.2010 endete meine letzte USA-Durchquerung in Key West.  Heute, 1017 Tage später starte ich zusammen mit Angie zur nächsten USA-Durchquerung. Die vier-einhalbte für mich, die zweite für Angie.
Der Plan für die erste Woche lautet „Immer mit der Ruhe.“ Kurze, beinahe zu kurze Etappen, langsam rantasten an das Fahren mit 50 bis 60 Kilo Gepäck. Die rund 300 Kilometer bis San Diego eignen sich perfekt zu diesem Zweck.

In San Diego werden wir ein paar Tage bleiben, um die letzten Feinheiten an Ausrüstung und Radtechnik regeln.  Danach wird es ernst, denn dann geht es zunächst in die Berge, dann folgen ein rund 2000 Kilometer Wüste, unterbrochen von weiteren Bergen. Aber dazu später. Jetzt ist jetzt und wir müssen zunächst einmal raus aus Los Angeles. Der Computer, eine ziemlich veraltete Navigations-Software und  das Internet helfen mir dabei, eine halbwegs erträgliche Route auszutüfteln, die uns in knapp 45 Minuten aus der Stadt heraus und an die Pazifikküste bringt, wo wir dem „Pacific Coast Trail“ nach Süden bis San Diego folgen werden.
Wir starten spät, um den Berufsverkehr zu vermeiden und erreichen problemlos Manhattan Beach - und den ersten Blick auf den Pazifik.
 
Die junge Frau und das Meer
Zwischen Strand und Straße führt ein geteerter Radweg nach Süden, dem wir rund 15 Kilometer bis Hermosa Beach folgen. Dort machen wir einen Abstecher zu dem Mohammad Seraj, dem Besitzer des Radladens, der uns so sehr unterstützt und geholfen hat. Seit 1987 hat er seinen Bike Shop in Hermosa Beach. Wir durften unsere Radkoffer sowie eine große Kiste mit Ausrüstung zu ihm schicken. Er hat die komplette Ausrüstung nicht nur in seinem kleinen und beengten Laden fast 2 Monate lang für uns aufbewahrt, er hat die Räder auch zusammengebaut und perfekt für die Tour eingestellt.  Zum Abschied sagt er: „You have to promise me one thing. When you reach Key West, please send me a picture.” Das versteht sich von selbst.  Mohammad ist der erste, der es in meine “Hall of Fame” dieser Tour geschafft hat.
Mohammad Seraj, Besitzer von "The Old Bikeshop" in Hermosa Beach, CA
Unser heutiges Ziel ist ein... nun ja schlichtes Motel in Carson, das wir schon um 16.00 Uhr erreichen. Mohammad hatte uns noch eigens ermahnt: „There are some very bad  areas in Carson. Don’t be on the road after sunset.” Nach Sonnenuntergang sollte man sich hier also besser hinter geschlossenen Türen aufhalten. Hm... eine verrückte Welt, die Großstadtwelt. 12 Millionen Menschen leben in und um Los Angeles, im Süden (South LA) regieren die Banden und niemand, schon gar kein weißer Tourist sollte sich dorthin verirren. Auch nicht am Tag. Klar, dass wir um diese Gefahrenzone einen weiten Bogen machen. Aber diese von Smog verhüllte Stadt streckt ihre finsteren Fühler wie eine Riesenkrake weit über das eigentliche Stadtgebiet hinaus. Als ich nach dem Einchecken noch schnell zur nächsten Tankstelle radle, um ein paar Getränke zu besorgen, wird mir klar, was Mohammad meinte: Kassierer und Kasse sind in einer kleinen Kabine, abgetrennt vom Laden durch schußsicheres Glas. Direkter Kontakt zwischen Kunde und Verkäufer ist unmöglich. Meine Ware stelle ich in eine Art Durchreiche, wo der Kassierer sie zuerst zu sich zieht, dann die Preise scannt, den Kassenzettel  in die Durchreiche legt, die ich dann zurück zu mir ziehe, um das Geld in die Durchreiche ... usw. Welch eine Welt, in der es einen Markt für schußsichere Arbeitsplätze gibt! Wir werden also heute früh essen gehen, damit wir vor Einbruch der Dunkelheit wieder im Motel sind. Ich freue mich schon auf jene Landstriche, in denen die Leute weder ihre Autos noch Haustüren nachts abschließen.

Zum Schluss noch das Rätsel des Tages: Ich habe zwei Getränke gekauft. Eins für Angie, eins für mich. Wer bekommt was?



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