Samstag, 17. August 2013

42

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Alpine, CA - Pine Valley, CA



„Und ich sah ein Tier aus dem Meer steigen, das hatte zehn Hörner und sieben Häupter und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Häuptern lästerliche Namen. Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Panther und seine Füße wie Bärenfüße und sein Rachen wie ein Löwenrachen. Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Thron und große Macht.“ (Johannesoffenbarung 13, 1-18). Der gute Johannes ist ja der Stephen King unter den Evangelisten. Was er hier so schaurig-schön heraufbeschwört, ist die Erscheinung des Antichristen. Dem dann aber offenbar nichts besseres einfiel, als 42 Monate lang Gott zu lästern. 

Du meine Güte! Klar kann man sich mal aufregen und ordentlich ablästern. Aber 42 Monate lang? Immer nur lästern? Immer nur über Gott? Sonst nichts? Keine Pause, nicht mal ein Bier zwischendurch oder wenigstens einen Kelch Kinderblut? Mein lieber Antichrist, das ist kein Gegenprogramm, das ist hirnlos! Dieses Grundverhalten - hirnlos, aber endlos zu lästern - erinnert mich sofort an die Jungs und Mädels von der Marxistische Gruppe (MG), die mich während des Studiums in Regensburg schier in den Wahnsinn getrieben haben. Niemals auf dem Bau eine Schaufel in der Hand gehalten oder an Hochöfen der SKW als Ferienarbeiter geschuftet, aber endlos über die herrschende Klasse lästern und allwissend über die Arbeiter und die Arbeit schwadronieren. Lieber Ludwig Wittgenstein, Du und ich, was müssen wir beide leiden. Du in deinem kühlen Grab und ich hier in dieser Affenhitze. Die Gedanken an diese elenden MGler regen mich 27 Jahre später noch dermaßen auf, dass ich… nein!!!  Tief-durch-atem und  zurück zur Zahl 42. Abgesehen von der Lästerdauer des Antichristen und der Vorwahl Tschechiens ist die Zahl 42 die Antwort auf alles. Wer „hitchhiker's guide to the galaxy” gelesen hat, der weiß das. Wer nicht, der weiß es nun und darf ab sofort aufhören, nach dem Sinn des Lebens zu forschen. Der Sinn ist 42.

Für Angie und mich ist 42 die bei unserer Ankunft in Pine Valley herrschende Außentemperatur:  42° Grad Celsius (107° Fahrenheit). In 4.000 Fuß Höhe! In weiser Voraussicht hatten wir gestern auch den Wecker für 5:00 Uhr früh gestellt, um möglichst viel Strecke vor Sonnenaufgang zu machen. Bis High Noon wollten wir am Ziel sein, und das haben wir auch geschafft. Nur „lumpige“ 29 Kilometer standen auf dem Programm, aber 29 Hitze-Kilometer bergauf, für die wir letztendlich satte 3:13 Stunden benötigten. Schnitt: 8,8 km/h. Wenn wir so weiterfahren würden, erreichten wir Key West am 19. März (statt wie geplant irgendwann Ende November/Anfang Dezember). Immer vorausgesetzt, dass wir jeden Tag radeln und keine Pausen einlegen. Aber alles wird gut werden. Bestimmt. Laue Sommertage den Wüsten Arizonas und blühende Oasen in Texas. Das Temperaturproblem könnte uns in der Tat einen argen Strich durch die Rechnung machen. Mal sehen. Wir riskieren jedenfalls nichts, planen übervorsichtig und tasten uns langsam an das Mögliche heran.

Seit Alpine sind wir übrigens im „Viejas Indian Reservation“ unterwegs. Die Haupteinnahmequelle der Indianer ist das Glücksspiel. Entsprechend viele Spielcasinos findet man auch in den Reservaten. Im Jahr 2007 erwirtschafteten insgesamt 230 Indianerstämme in 28 Bundesstaaten 26,5 Milliarden Dollar. Wir lassen das Viejas Indian Casino aber links liegen und dürfen/müssen für etwa 7 Kilometer auf die Interstate 8, vergleichbar mit einer deutschen Autobahn.


Normalerweise ist Radfahrren auf Interstates natürlich strengstens verboten. Aber auf dem Southern Tier gibt es gleich zu Beginn ein paar Abschnitte, in denen nur eine Interstate die Mondlandschaft im Grenzgebiet zu Mexiko durchschneidet. In unserem Übereifer fahren wir eine Ein-/Ausfahrt zu früh auf die Interstate. Wie gut, dass uns die Polizei nicht erwischt. Zusammen mit der Straße steigen und steigen auch die Temperaturen. Um 08:20 Uhr morgens zeigt das Thermometer 35° Celsius (95° Fahrenheit) an.


Auf einem Rastplatz treffen wir Thierry und Yves. Die beiden sind nicht nur Schweizer Gymnasiasten sondern auch noch Brüder und absolvieren derzeit ein 2-monatiges Praktikum in San Diego. Wenn meine Notizen korrekt sind, dann am dortigen Zoo und unter Schirmherrschaft der Universität von San Diego. (Yves oder Thierry, sollte ich falsch liegen, schreibt mir einfach ein kurzes Mail und ich berichtige den Text J)
 
Die Brüder und Biomimikristen Yves und Thierry aus Aarau (CH)
Thema des Praktikums:  „BIOMIMIKRY“. Jeder nickt jetzt, richtig? Neben Heimatkunde, Handarbeit und Nanotechnologie hatten wir damals in der Grundschule doch alle auch noch Biomimikry, oder? Für jene, denen es geht wie mir („Was zur Hölle ist Biomimikry?“), folgen lindernde Worte der Erleuchtung. (Falls Armin das liest, "lindernde Worte der Erleuchtung" wär doch was für Dich). Also, Biomimikry beschäftigt sich mit der Frage, wie natürliche Phänomene auf (moderne) Technik zu übertragen sind. Mit anderen Worten: Was kann die Technik von der Natur lernen? Eigentlich alles. Leonardo da Vinci war zwar weder ein Schweizer Gymnasiast,  noch als Praktikant in San Diego, aber er war einer der ersten, der Biomimikry ernsthaft betrieben hat, zum Beispiel mit seiner Idee, den Vogelflug auf Maschinen zu übertragen. Für Wissensdurstige hier der Link zur Videoserie: „Biomimikry - Natürlich genial“: http://www.gebrueder-beetz.de/produktionen/biomimikry

Um 09:40 erreicht das Thermometer 40° Celsius und wir „Descanso Junction“. Das Dorf besteht aus dem gleichnamigen Restaurant (http://descansojunction.com), das schon seit dem Jahr 1912 in Betrieb ist. Leitspruch:  „Big enough to serve you, yet small engough to know you.“  Das Restaurant hat in seinen 101 Lebensjahren viel erlebt und hat einen gewissen Goldgräber-Charme.




Nach einem gesunden und nahrhaften Sportler-Frühstück (links = vegetarisch = ich, rechts = ungesund = Angie) radeln wir mit frischer Energie die letzten paar Kilometer und sind jetzt genau dort, wo der rote Punkt ist:

Und damit zu den restlichen Bildern dieser kurzen, aber ereignisreichen Etappe:
Früher war alles besser. Aber das glaubt Dir ja heute keiner mehr. 
Ein EDEKA-Laden im Südwesten Kaliforniens
Ein anderer EDEKA-Laden im Südwesten Kaliforniens
Im EDEKA-Laden Erjagtes



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