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Alpine, CA - Pine Valley, CA
„Und ich sah ein Tier aus dem Meer steigen,
das hatte zehn Hörner und sieben Häupter und auf seinen Hörnern zehn Kronen und
auf seinen Häuptern lästerliche Namen. Und das Tier, das ich sah, war gleich
einem Panther und seine Füße wie Bärenfüße und sein Rachen wie ein Löwenrachen.
Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Thron und große Macht.“ (Johannesoffenbarung 13, 1-18). Der gute Johannes ist ja der Stephen King unter den
Evangelisten. Was er hier so schaurig-schön heraufbeschwört, ist die
Erscheinung des Antichristen. Dem dann aber offenbar nichts besseres einfiel, als 42 Monate lang Gott zu lästern.
Du meine Güte! Klar kann man sich
mal aufregen und ordentlich ablästern. Aber 42 Monate lang? Immer nur lästern? Immer
nur über Gott? Sonst nichts? Keine Pause, nicht mal ein Bier zwischendurch oder wenigstens
einen Kelch Kinderblut? Mein lieber Antichrist, das ist kein Gegenprogramm, das
ist hirnlos! Dieses Grundverhalten - hirnlos, aber endlos zu lästern - erinnert
mich sofort an die Jungs und Mädels von der Marxistische Gruppe (MG), die mich
während des Studiums in Regensburg schier in den Wahnsinn getrieben haben. Niemals
auf dem Bau eine Schaufel in der Hand gehalten oder an Hochöfen der SKW als Ferienarbeiter geschuftet,
aber endlos über die herrschende Klasse lästern und allwissend über die Arbeiter und die Arbeit schwadronieren. Lieber
Ludwig Wittgenstein, Du und ich, was müssen wir beide leiden. Du in deinem kühlen Grab und ich hier in dieser Affenhitze. Die Gedanken an diese elenden
MGler regen mich 27 Jahre später noch dermaßen auf, dass ich… nein!!! Tief-durch-atem und zurück zur Zahl 42. Abgesehen von der
Lästerdauer des Antichristen und der Vorwahl Tschechiens ist die Zahl 42 die
Antwort auf alles. Wer „hitchhiker's guide to the galaxy” gelesen hat, der weiß
das. Wer nicht, der weiß es nun und darf ab sofort aufhören, nach dem Sinn des
Lebens zu forschen. Der Sinn ist 42.
Für Angie und mich ist 42 die bei unserer Ankunft in Pine Valley
herrschende Außentemperatur: 42° Grad Celsius
(107° Fahrenheit). In 4.000 Fuß Höhe! In weiser Voraussicht hatten wir gestern
auch den Wecker für 5:00 Uhr früh gestellt, um möglichst viel Strecke vor
Sonnenaufgang zu machen. Bis High Noon wollten wir am Ziel sein, und das haben
wir auch geschafft. Nur „lumpige“ 29 Kilometer standen auf dem Programm, aber 29
Hitze-Kilometer bergauf, für die wir letztendlich satte 3:13 Stunden
benötigten. Schnitt: 8,8 km/h. Wenn wir so weiterfahren würden, erreichten wir Key
West am 19. März (statt wie geplant irgendwann Ende November/Anfang Dezember).
Immer vorausgesetzt, dass wir jeden Tag radeln und keine Pausen einlegen. Aber
alles wird gut werden. Bestimmt. Laue Sommertage den Wüsten Arizonas und blühende
Oasen in Texas. Das Temperaturproblem könnte uns in der Tat einen argen Strich
durch die Rechnung machen. Mal sehen. Wir riskieren jedenfalls nichts, planen
übervorsichtig und tasten uns langsam an das Mögliche heran.
Seit Alpine sind wir übrigens im „Viejas Indian Reservation“
unterwegs. Die Haupteinnahmequelle der Indianer ist das Glücksspiel.
Entsprechend viele Spielcasinos findet man auch in den Reservaten. Im Jahr 2007
erwirtschafteten insgesamt 230 Indianerstämme in 28 Bundesstaaten 26,5
Milliarden Dollar. Wir lassen das Viejas Indian Casino aber links liegen und
dürfen/müssen für etwa 7 Kilometer auf die Interstate 8, vergleichbar mit einer
deutschen Autobahn.
Normalerweise ist Radfahrren auf Interstates natürlich
strengstens verboten. Aber auf dem Southern Tier gibt es gleich zu Beginn ein
paar Abschnitte, in denen nur eine Interstate die Mondlandschaft im Grenzgebiet
zu Mexiko durchschneidet. In unserem Übereifer fahren wir eine Ein-/Ausfahrt zu
früh auf die Interstate. Wie gut, dass uns die Polizei nicht erwischt. Zusammen mit der Straße steigen und steigen auch die
Temperaturen. Um 08:20 Uhr morgens zeigt das Thermometer 35° Celsius (95° Fahrenheit)
an.
Auf einem Rastplatz treffen wir Thierry und Yves. Die beiden
sind nicht nur Schweizer Gymnasiasten sondern auch noch Brüder und absolvieren derzeit
ein 2-monatiges Praktikum in San Diego. Wenn meine Notizen korrekt sind, dann
am dortigen Zoo und unter Schirmherrschaft der Universität von San Diego. (Yves
oder Thierry, sollte ich falsch liegen, schreibt mir einfach ein kurzes Mail
und ich berichtige den Text J)
Die Brüder und Biomimikristen Yves und Thierry aus Aarau (CH) |
Thema des Praktikums: „BIOMIMIKRY“. Jeder nickt jetzt, richtig? Neben
Heimatkunde, Handarbeit und Nanotechnologie hatten wir damals in der Grundschule doch alle auch noch Biomimikry, oder? Für jene, denen es geht wie mir („Was zur Hölle ist
Biomimikry?“), folgen lindernde Worte der Erleuchtung. (Falls Armin das liest, "lindernde Worte der Erleuchtung" wär doch was für Dich). Also, Biomimikry beschäftigt sich mit
der Frage, wie natürliche Phänomene auf (moderne) Technik zu übertragen sind. Mit
anderen Worten: Was kann die Technik von der Natur lernen? Eigentlich alles. Leonardo
da Vinci war zwar weder ein Schweizer Gymnasiast, noch als Praktikant in San Diego, aber er war einer der ersten, der
Biomimikry ernsthaft betrieben hat, zum Beispiel mit seiner Idee, den Vogelflug auf
Maschinen zu übertragen. Für Wissensdurstige hier der Link zur Videoserie: „Biomimikry -
Natürlich genial“: http://www.gebrueder-beetz.de/produktionen/biomimikry
Um 09:40 erreicht das Thermometer 40° Celsius und wir „Descanso
Junction“. Das Dorf besteht aus dem gleichnamigen Restaurant (http://descansojunction.com), das schon
seit dem Jahr 1912 in Betrieb ist. Leitspruch: „Big enough to serve you, yet small engough to
know you.“ Das Restaurant hat
in seinen 101 Lebensjahren viel erlebt und hat einen gewissen Goldgräber-Charme.
Nach einem gesunden und nahrhaften Sportler-Frühstück (links = vegetarisch = ich, rechts = ungesund = Angie) radeln wir mit
frischer Energie die letzten paar Kilometer und sind jetzt genau dort, wo der
rote Punkt ist:
Und damit zu den restlichen Bildern dieser kurzen, aber
ereignisreichen Etappe:
Früher war alles besser. Aber das glaubt Dir ja heute keiner mehr. |
Ein EDEKA-Laden im Südwesten Kaliforniens |
Ein anderer EDEKA-Laden im Südwesten Kaliforniens |
Im EDEKA-Laden Erjagtes |
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