Freitag, 16. August 2013

Hitzeschlacht am Berg

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San Diego, CA - Alpine, CA

Der Southern Tier beginnt an der „Dog Beach“ in San Diego. Nomen est Omen! An diesem kleinen Strandabschnitt geht der kluge Mensch mit gesenktem Haupt. Der weniger kluge Mensch wird in Kürze fluchend und auf einem Bein hopsend nach einem Tempo-Taschentuch kramen und alle Hunde dieser Welt zur Hölle wünschen (wofür auch kluge Menschen Verständnis hätten). Kopfschüttelnd sehe ich Kindern beim Herumtollen im Sand, während mal mehr und mal weniger engagierte bzw. aufmerksame Hundebesitzer mit Plastiktüten in der Hand ihren Hunden in eben jenem Sand hinterher traben.
Der Morgen ist zwar diesig, aber die Sonne kämpft sich bereits mit Macht voran. Steigende Temperaturen sind angesagt. Stark steigende Temperaturen! Der Ansager sollte recht behalten.
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Gleich geht’s weiter mit der Tour. Aber zuvor noch einer meiner kleinen Abschweifer…
Manchmal wundere ich mich, wie Amerika zur Weltmacht gebracht hat. Man möchte ja eigentlich meinen, dass Computer und Internet in amerikanischen Großstadthotels heutzutage eine Selbstverständlichkeit sind. Weit gefehlt, Freunde, weit gefehlt! Ohne mein nagelneues Windows-Phone aus Japan könnte ich diesen Blog glatt vergessen. Gestern morgen hätte ich an einer kurzen Online-Konferenz teilnehmen sollen. Im Normalfall sieht das so aus: Computer einschalten, WLan-Verbindung herstellen, Link zur Konferenz wählen - und fertig ist die Laube. Also den Klingelknopf drücken, warten bis der andere den Türoffner betätigt - und eintreten. Wenn die Welt so einfach wäre… In unserem (Best Western) Hotel in San Diego ist WiFi (Kosename für „Internetzugang“ ) natürlich eine Selbstverständlichkeit. Mein Computer findet auch sofort das WLan und verbindet sich brav mit dem Router, also dem kleinen Kasten, der zwischen mir und dem großen, weiten Internet steht und der mich als Gast des Hauses nach Anmelden auch ohne Wenn und Aber durchlassen bzw. Daten reinlassen sollte. Tut er aber nicht. Nicht richtig jedenfalls. Manc hes darf raus bzw. rein, anderes nicht. Dann ist die Verbindung wieder weg und wird - vielleicht - wieder hergestellt. Oder auch nicht. Wenn eine ordentliche bis sehr ordentliche Internetleitung - sagen wir - armdick ist, dann erreicht jene des Best Western Cabrillo in San Diego maximal die Dicke eines Kapillargefäßes. Eines ziemlich alten, dünnen und sehr gebrechlichen Kapillargefäßes, das nicht recht weiß, ob es sich gleich oder erst in fünf Minuten völlig in digitalen Dunst auflösen soll. „Gut“, sage ich mir, „dann radelst Du eben zu diesem riesigen Best Western gleich um die Ecke“. Die Ecke ist zwar einen Kilometer weiter, aber was solls. Radl gepackt, die 8 Blocks durch den morgendlichen Berufsverkehr gedüst, dort in die Lobby, Computer an, WLan Verbindung hergestellt - Computer will Passwort. Akzeptabel. Ich zur Rezeption, Passwort abholen, eintippen, Ok klicken, Fehlermeldung „No Internet acess“. Ich zurück zur Rezeption… aber warum sollte ein einfacher Hotelangestellter technische Probleme lösen können. Wie schon so oft bin ich Opfer des Microsoft-Konjunktives geworden, der da lautet: „Das müßte eigentlich gehen.“ Wenn euch jemals jemand erzählt „Das müßte eigentlich gehen“, dann wißt ihr zwei Dinge: Erstens hat dieser Mensch keine Ahnung hat, wovon er spricht und zweitens wird es nicht gehen. „Worüber Du nicht reden kannst, darüber sollst Du schweigen“. Hat Ludwig Wittgenstein gesagt. War schon ein Hund, der Ludwig, oder? Und Microsoft hat er auch schon vorausgeahnt.

In der Zwischenzeit sind es nur noch 8 Minuten bis zum Beginn der Konferenz. Plan C ist nun das Windows-Phone, das ich mir für diese Reise als mobilen WLan-Router gekauft und erst gestern in San Diego mit einer USA-Simkarte und einem monatlichen Datenvolumen von 2,5 Gigabyte ausgestattet hatte. Laut Handbuch müßte das gehen. Und siehe da, nach zwei Minuten war ich online. Japan meets Microsoft. Noch 6 Minuten bis zum Beginn der Konferenz. Ausatmen. Noch ist die Luft nicht ganz draußen, als mit einem lauten „ratter-ratter-ratter-ratter“ eine mäßig motivierte mexikanische Reinigungsfachkraft einen Staubsauger aus der Ära der Conquistadores mit dem Tempo einer Wanderdüne heranschleppt und - direkt neben meinem auserkorenen Sitzplatz - mit ihrer Arbeit beginnt. Nun ja, „arbeiten“ und „beginnen“ ist sehr wohlwollend formuliert. Bei ihrem seltsamen Tun erinnert sie mich an Claudius Musculus aus „Asterix bei den olympischen Spielen“, der schwermütig darüber philosophiert, mit einem Besen (aber keinem allzu schweren) erst die erste Hälfte der ersten Platte zu kehren, dann eine Pause einzulegen, um dann die zweite Hälfte der ersten Platte zu kehren. (So hab ich die Passage jedenfalls in Erinnerung. Oliver und die übrigen Asterix-Kenner aus meinem Freundeskreis werden mich sicher auf den Stand der Dinge bringen.
Insgesamt sind 7 Stühlchen einen Meter zur Seite zu ziehen (ratter-ratter-ratter), der Platz unter den Stühlchen zu saugen („Whussch-ratter-wuhhssch-wuhhsch-ratter-kraks-ratter-wuhhsch“), das Stühlchen wieder an seinen Platz zu zerren (ratter-ratter-ratter), eine Pause einzulegen, um sich danach gestärkt und erfrischt dem nächsten Stühlchen zuzuwenden. All das macht einen Riesenlärm und in zwei Minuten soll die Konferenz beginnen.
Pünktlich gehe ich online und erfahre, dass die Besprechung vertagt werden mußte, was ich aber nicht erfahren konnte, weil ja meine Internetverbindung im Hotel…  Nun gut, ich weiß jetzt, dass mein Telefon als Internetzugang taugt und die Conquistadores schon Staubsauger kannten. Und damit zurück zur Tour de USA…
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Von den heutigen 70 Kilometern gehen rund 50 bergauf. Ist ja auch irgendwie einleuchtend, wenn man bedenkt, dass das Meer unten und der Berggipfel oben ist und wir am Meer starten und über die Bergemüssen. Die Steigungen sind anfangs sanft, dann mittelsanft und am Ende unsanft. Bei Temperaturen zwischen 34 und 36 Grad im Schatten (hab mir extra ein Thermometer gekauft!) kriechen wir langsam höher und höher. (Be, Du erinnerst Dich noch an HEAT und den Coquihalla Pass in Kanada, ja?) 
Für die letzten 16 Kilometer brauchen wir knapp 3 Stunden und ungefähr 10 Trinkpausen. Nach insgesamt 6 Stunden im Sattel erreichen wir bei Sonnenuntergang schließlich das Städtchen "Alpine", das zwar in Kalifornien liegt, aber eben doch auch ziemlich alpin ist.

Die Vorstellung, morgen früh um 05:00 Uhr aufzustehen, um eine weitere Hitzeschlacht am Berg zu schlagen, ist so ermutigend, dass wir beschließen, ZWEI Nächte zu bleiben. Ich kaufe mir morgen im nächsten Geschäft einen Besen (aber keinen allzu schweren), mit dem ich anschließen vor dem Hotel die Platten fege. Zuerst die erste Hälfte der ersten Platte.. Nein, war nur ein Scherz. Zum Kehren ist es viel zu heiß. Für mich heißt es morgen im klimatisierten Hotelzimmer Blog aktualisieren und Videoclips für den nächsten Wochenrückblick vorbereiten. 

Der Innenhof der Hotelanlage ist ruhig und auch Angie hat Wichtiges zu tun.
Weltreisetagebuch schreiben
Fingernägel lackieren

5 Kommentare:

  1. Schöner Bericht! Du solltest Spanisch lernen, um mexikanischen Reinigungskräften erzählen zu können, dass du jetzt erstmal mit dem Präsidenten telefonieren musst und sie jetzt nicht saugen kann.
    Schreibt Angie ihr Weltreisetagebuch auch online als Blog? Dann verrate doch mal dir URL. Ich fände ich es spannend, über eure Fahrt aus zwi Perspektiven zu lesen.

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  2. Das wird die Finnen nicht freuen, dass Du ihr in China hergestelltes Telefon für so japanisch hältst. :->

    Aber sei froh, dass es nicht der erste Staubsauger der Welt war: http://www.lookandlearn.com/blog/17751/hubert-cecil-booth-vacuumed-the-carpets-for-edward-viis-coronation/

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  3. Ihr Lieben, das ist so richtig der Aufmacher des Tages. Kein Fernseher, Opernchor, Rockstar ... könnte mich so erfreuen (schmunzeln, lächeln, dem Sohn: lies mal, erheitern, vom Alltag-weg-beamen) wie der obige Text - Erguss - dahingeschriebene Freude! Weiter so - es geht auch u. U. weniger heiß!
    Irmgard

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  4. Ja und wie ich mich erinner‘ … - hab heut noch Durst! Mehr dazu ab Wochenrückblick Nr. 3 ff.

    Servus
    Radl-Be

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