Montag, 26. August 2013

Der Tag, an dem das Wasser kam

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Verkehrte Welt - Wasserschaden in der Wüste
Ruhe nach dem Sturm
Die Ruhe nach dem gestrigen Sturm kehrte erst am späten Abend wieder ein. Zwei ereignisreiche Tage liegen hinter uns. Erst kam der Wind, danach der Sand und schließlich das Wasser. Aber nicht nur ein "pft pft", "riesel riesel" und "plitsch platsch". Von wegen. Herrschaften, das war Altes Testament. Jede Wüste muß immer alles übertreiben. Was mich an den dämlichen Witz erinnert, wo einer seinem Freund erzählt, dass er mitten in der Sahara einen Limonade-Kiosk eröffnen will. "Da kommt doch nie jemand vorbei!", wendet der Freund ein, worauf der andere entgegnet: "Aber WENN einmal einer vorbeikommt..." Tja, in der Wüste ist es heiß und trocken. Normalerweise. Aber WENN einmal ein Unwetter vorbeikommt...

Die folgenden Bilder sind Angies Werk. ICH hatte ja für solche Mätzchen keine Zeit: Flicken, Nähen, Waschen, Bügeln, Kochen; Leben retten... da ist einer schon froh, zwischendurch mal ein für zwei Minuten einen flüchtigen Blick in die "Brigitte" oder "Die Frau im Rückspiegel" werfen zu können. Du meine Güte, Zeit zum Fotografieren. Welcher Mann hat heute noch Zeit zum Fotografieren?

Wind wird ja im Alten Testament gerne als Atem Gottes bezeichnet. In diesem Fall hatte der liebe Gott gestern einen fürchterlichen Hustenanfall. 10 von 10 Punkten für Hiobs griffige Beschreibung in seiner Phantasieerzählung "Gerade noch einmal davongekommen"...: "Da kam ein gewaltiger Wind über die Wüste und packte das Haus an allen vier Ecken". 

Sandsturm - Phase 1
Sandsturm - Stufe 2 
Sandsturm - Stufe 3
Auf den Wind folgte das Wasser: "Der Herr sagte: Ich will den Menschen, den ich erschaffen habe, vom Erdboden vertilgen, mit ihm auch das Vieh, die Kriechtiere und die Vögel des Himmels, denn es reut mich, sie gemacht zu haben." (Genesis/1. Mose, Kap. 6, Vers 7). Nun aber mal halblang, ja? Erst halbe Arbeit abliefern und und dann anderen den Schwarzen Peter zuschieben. Erinnert mich an Microsoft, aber das ist eine andere Geschichte. 

Gut, dass Angie und ich schwimmen können. Schade, dass der Pool ganz naß wird. Schön, dass das Pool-Wasser durch den Regen dramatisch auf  30 Grad gekühlt wird, was altersgemäß eine angenehme Senioren-Warmbadetag-Temperatur ist. Für MICH, nicht für die junge Frau an meiner Seite. 


"Erst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu." (Jürgen Wegmann statt Hiob). Wenn Wasser chiemseeweise vom Himmel auf Wüstenboden platscht, dann macht der Wüstenboden dicht und reagiert beleidigt: "Wasser! Du spinnst wohl, eh? Laut meinem Haus-Meteorologen darf man mir im ganzen Jahr nur maximal soviel zumuten, wie ich in den ersten zwei Minuten schon schlucken mußte. Von Zwangsernährung oder Kampftrinken war nicht die Rede, als ich damals den Mietvertrag hier unterschrieben habe. Und damit das klar ist; Du kannst versickern, wo Du willst, aber nicht hier. Und jetzt schaust, dass di schleichst!" Woraufhin sich die Wassermassen trotzig zuerst zu Pfützen, bald aber schon zu Seen bzw. bei abschüssigem Gelände zu Flüssen und Strömen zusammenrotten und marodierend durch die Wüste und die darin herumstehenden Siedlungen fließen.

Als alter Freund der Dialektik freut es mich natürlich, dass Ströme Stromausfall zur Folge haben: These "Zuviel Strom". Antithese "Zuwenig Strom". Wie die Synthese aussieht, weiß ich auch nicht, aber der gute Hegel hat sich da ja auch immer recht bedeckt gehalten. Wenn ich übrigens von "Stromausfall" spreche, dann rede ich nicht von einem dunklen Wohnzimmer, sondern von einem dunklen Borrego Springs. Die Wüstensiedlung ist ja (zurecht) stolz darauf, eine der wenigen "Dark Sky Communities" zu sein. Ob das allerdings SO gemeint war, bezweifle ich dann doch. Künstliches Licht ist in "Dark Sky Communities" bäh. Die nächste Ampel ist 50 Kilometer weit entfernt. Nun ja, eine Ampel mitten in der Wüste wäre auch ziemlich dämlich. "Wanderdüne HALT, der Kaktus da hat Vorfahrt!". Aber lassen wir die Kleinkrämerei an dieser Stelle - die "Dark Sky Communities" zelebrieren den nicht-erleuchteten bzw. unterbelichteten Blick in den nächtlichen Sternenhimmel. Und das zu recht. Man stelle sich folgendes vor: Ein Haus in der Wüste, einen Pool mit Warmbade-Temperatur im Garten, zwei Luftmatratzen im Pool und zwei Menschen auf den Luftmatratzen, sanft in der abendlichen Brise schaukelnd, die Füße im Warmbadewasser baumelnd und den Blick nach oben gerichtet, mit offenen Augen träumend. Ja ich weiß, so etwas gibt es nicht in diesem Universum, aber nur mal angenommen. Das würden die Beiden dann sehen:

Quelle: http://www.darksky.org/night-sky-conservation/88-international-dark-sky-communities
Man möge mir verzeihen, dass ich hier keine eigenen Bilder verwendet habe. Es sei denn, ihr möchtet sehen, wie die Nahaufnahme eines Briketts aussieht. Wo ist der Radlhans, wenn man ihn braucht? In Bolivien. Rennt der Kerl in Bolivien fremde Berge rauf und runter, wenn es bei uns hier DAS zu fotografieren gäbe!


So ein Stromausfall hat Folgen. Klar, kein Licht mehr. Da helfen unsere Stirnlampen weiter ("Glückauf!"). Und sonst? Ja-haaaa, Eisschmelze im Kühlschrank. Angie hat dafür eine Lösung: Essen, bevor es schlecht wird. Und was könnte sonst noch so passieren bei Stromausfall? Tipp: In der Wüste ist es nachts nicht nur dunkel, sondern auch verdammt heiß. Ge-nau! Keine Klimaanlage mehr. 

Nach drei Stunden ist es drinnen und draußen immer noch zappenduster, aber drinnen bald so warm wie draußen. Mit einem mulmigen Gefühl lege ich mich zum Garen ins Bett. Mir ist so heiß, dass ich nicht einschlafen kann. Die Temperatur steigt und steigt. Um kurz nach 23:30 Uhr, also rund 6 Stunden, nachdem die Natur den Hauptschalter in Borrego Springs nach unten gedrückt hat, haben es die Spezialisten einer Weltmacht schließlich doch noch geschafft, den Strom wieder anzustellen. Bald ist mir so kalt, dass ich nicht einschlafen kann.

Till Senn und Miss Sippi


7 Kommentare:

  1. Lieber Till, ein Meilenstein in der Wüstenweltuntergangsliteratur!!!
    hab schallend gelacht...!
    und dann noch die Vorstellung, dass dir der Chiemsee auf den Kopf fällt… hm hrr harr harrharr …

    keep on bloggin'
    Radl-Be

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  2. aber wieder einmal beweist es sich, dass die Jungs die in der Nähe vom Ofen 7 aufgewachsen sind dem Sandsturm oder Ascheregen widerstehen
    wasser masrsch heisst es immer bei der FFW
    doch was zuviel ist ist zu viel

    Ich hoffe nur dass eure radlwege hangabwärts nicht in halfepipes umgewandelt wurden

    aber wie B schon sagte respektive schrieb

    literarisches Schmankerl

    so was ist einem im Deutschaufsatz nie never ever eingefallen, doch der Oberlehrer hätte das eh ned geglaubt

    Luft anhalten und durhc

    auf die nächsten meilen

    p.s. gibt's den wieder den JOE Plan
    alles was bisher abgeradelt wurde auf einem Blick week for week

    sandstrahlige Grüße aus der Nacht in München

    Jeo B



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    1. Hey Joe,

      ah ja, der Joe-Plan, oder "Joe's weekly". Bislang sind wir leider noch so wenig geradelt, dass es mir richtig peinlich wäre, eine Skizze zu veröffentlichen. Als das Einfahrern vorbei war und wir eigentlich die erste 100-Kilometer Etappe anpacken wollten, kam uns ja die Hitze dazwischen und nun pausieren wir bis zum 22. September. Im Augenblick neige ich dazu (nöge dazu), pro Bundesstaat eine Skizze in den Blog zu stellen. Genehm?

      Hermann

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  3. Hey Joe,
    (warum nur fällt mir bei dieser Anrede immer ein bekanntes Gitarrenriff eines bekannten Linkshänders ein?)

    beste Grüße über den Umweg des Wüstenblogs.

    Dein Vergleich mit den Harter Hochöfen hat mir dann aber doch die Frage aufgedrängt, ob Till nicht besser dort trainiert hätte als in so einem neumodernen, klimatisierten Spinning-Center. Zwei Tagschichten lang Spinning beim Ofenabstich und die Sonora fühlt sich an wie `ne Tiefkühltruhe. Und nach `nem Tag-Zwölfer-Training wären auch mal 200 Kilometer Wüstenrennen am Tag drin gewesen – ohne groß zu schwitzen… Hart macht hart (aber das hatten wir doch schon mal in Kanada ;-)

    Wirklich klasse finde ich aber deine Idee, zum Nachempfinden der Szene in München einen Sandstrahler aufzustellen. Das muss ich auch ausprobieren - am besten beim Hochofenabstich … oder am offenen Pizza-Backofen...

    Servus
    Radl-Be

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  4. Einfache Worte aus AÖ:
    Was hättet ihr nur alles versäumt, wenn ihr nicht diese Einkehr gefundet hättet. Was hättet euch nicht alles passieren können, wenn ihr nicht entschlossen hättet, diese Einkehr zu finden. Aber ihr seid ja gesegnet - ihr kommt schließlich aus Altötting :-)
    Übrigens: Hermann, die Wüstenblume - dein T-Shirt ist schon ein Lichtblick/Augenweide. Dagegen wirkt deine Begleitung etwas underdressed, was sonst so gar nicht deren Art ist.
    Um die Warmplanschpoolerlebnisse beneide ich euch schon!

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    1. Na ich würd sagen die Farbe deines Shirts steht Dir gut zu deinen Augen... und daneben die pinke Lady ...passt doch!!
      Lg Monika

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  5. Hi Herm, ja so ist's recht: Die Unannehmlichkeiten nehmen Fahrt auf - like! Und durch deinen Blog spare ich mir das Bibellesen ...
    Übrigens: Dark Sky hab ich natürlich auch fotografiert, aber am Salar de Uyuni. Da steht auf 11.000 qkm nicht mal ein Haus ...

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