Montag, 14. Oktober 2013

Ausgewüstet...


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Comstock - Del Rio (51 km)
Wir haben Del Rio erreicht, ohne zu ertrinken. Mehr als 200 Kilometer straffer Gegenwind, gefühlte 3 Millionen Hügel - und alle Wüste(n) dieser Tour liegen hinter uns. Über 2.000 Kilometer sind wir durch diverse Wüsten Kaliforniens, Arizonas, New Mexikos und Texas' geradelt. Das ist nun vorbei und ich weiß nicht recht, ob ich mich freuen oder traurig sein soll. Ich liebe die Wüsten! Aber ich hasse den Gegenwind. Da ich es eh nicht ändern kann, belasse ich es einfach besten beim sowohl-als-auch. Östlich von Del Rio wird es grün und Louisiana ist nur noch 1.100 Kilometer entfernt. Ein Katzensprung (räusper). 

Nach dem gestrigen Freischwimmen (an dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an den Radelhans und seine Hinweise auf meine Rechtschreibfehler infolge Muskel- und Hirnerschöfpung) sah es heute morgen nicht sehr vielversprechend aus. Das scheinbare Fehlen des oberern Bildrandes ist auf das Grau-in-Grau des Himmels zurückzuführen. Die Wolken hingen tief und die Luftfeuchtigkeit war so hoch, dass ich mir wieder einmal Kiemen statt Lungen wünschte.


Aber die lumpigen 51 Kilometer bis Del Rio wärren wir notfalls geschwommen. Ha! Wäre doch gelacht. "Never surrender", sagt der Radlhans, und recht hat er. "Failure is not an option", sagt die NASA, und recht hat sie. "Hör auf zu reden und fahr los!", sagt Angie, und recht hat sie. Und so fuhren wir los. Es folgt die Chronik eines angekündigten Regens, der jedoch ausblieb. Hinweis: Die Schilder zeigen MEILEN, nicht Kilometer. Den strammen Gegenwind noch einkalkulieren. So Radlhans & Co... jetzt dürft ihr lästern :-)




Lasst mich noch ein Wort zum texanischen Bauhof anfügen. Mit "Bauhof" meine ich alle, die in Amerika irgend etwas bauen, ok? Zum Beispiel Straßen. Der Belag der letzten 400 Kilometer sah so aus:


Ich bin zwar weder Facharzt noch Bauhofer, aber wenn mich nicht alles täuscht, nennt man das "Splitstraße". Als 14-jähriger radelte ich nachmittags nach der Schule nach Burgkirchen ins Freibad (JAAAAA, meine lieben Jugendlichen, wir radelten damals ins Freibad. Ohne e-bikes! Mit eigener Muskelkraft. Müttertaxis waren rar.) Zwischen Hirten und Burgkirchen war Splitstraße damals der letzte Schrei. Zu jener Zeit spielten wir mit den Dinosaurier und radelten ohne Murren und Zaudern ACHT Kilometer von Hirten nach Burgkirchen und zurück. Splitstraßengerumpel? Kein Problem. Heute sehe ich das anders. Diese letzten 400 Kilometer Rumpel-Pumpel reichen mir. Freunde, dieser Belag kostet nicht nur Nerven, sondern auch Kraft. Was da an Reibungswiderstand zum Gegenwind und den Hügeln noch dazukommt, geht auf keine Kuhhaut. Aber der texanische Bauhof hat kein Erbarmen mit Radlern. Im Gegenteil! Man hat offenbar ein Programm für künstlerisch unterentwickelte texanische Bauhofmitarbeiter entwickelt. Jedenfalls kann ich mir das elende Gebatze auf den Straßen nicht anders erklären. Alle paar Meter (über Hunderte von Kilometern!!!!) holpert das Rad über diese Teer-Würste:


Kreuz und quer und links und rechts und dings und dungs ziehen sich diese Linien über Straße und Seitenstreifen. Nach langer und reiflicher Überlegung kam ich zum einzig möglichen Schluss: ein Kunst-Programm. Fingerfarben für Bauhofer, nur dass sie statt schwarzer Farbe Teer verwenden dürfen. Ich sehe die Jungs vor mir. Ins Programm kommt nur, wer beim Lesen die Lippen bewegt. Dann werden Eimer verteilt, die Anfänger bekommen erst noch einen Schnellkurs im Kartoffel-Stempel-Basteln, aber dann lässt man sie mit vollen Eimern auf die Straßen los, vorzugsweise auf den Highway 90. Und da sitzen, knien und liegen sie dann herum und batzen, dass es eine Freude ist. Jedenfalls für die Batzer. Für den Radler wird des Batzers Freud zum Leid. Rumpel-Pumpel-Rumpel-Pumpel.... 400 Kilometer lang. Freunde, bei Gegenwind und Hügel werden 400 fingerfarbenverbatzte Kilometer zur Reise um die Erde, das kann ich euch sagen. Ein großes Lob an dieser Stelle an meinen Zahnarzt; Auf dem Highway 90 hat sich nicht eine einzige Krone gelockert. Tja Freunde, und so näheren wir uns unaufhaltsam Austin, Texas und der Halbzeit dieser Tour. Im Moment sind wir genau hier:


Till Senn


5 Kommentare:

  1. Ist der Genitiv nicht "Texa's"?

    Und was würdest Du wählen: fein und glatt geteerte Straßen, aber ohne Seitenstreifen und mit Riesentrucks - oder Split-Teerwurst-Straßen ohne Trucks? Anton Chigurh: "Call."

    Das ist im übrigen die heutige zivilisatorische Wahlfreiheit: Nicht zwischen "gut" und "schlecht", sondern zwischen "schlecht" und "auch schlecht, aber anders".

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    1. Lieber Radlhan's,

      Lieber Anton,

      aber natürlich würde ich eine Kraterlandschaft einer Mahagonistraße vorziehen, solange sie einen 2 Meter Seitenstreifen bietet: Schlecht, aber sicher ist besser schlecht als nicht schlecht, aber gerfährlich.

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    2. Dann ist gefährlich schlecht schlechterdings schlechterer als sicher schlecht?

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  2. Lieber Herman

    wo ist bei dem 3ten Bild die sinuslinie des Spanischen ~n~ (Ciudad Acunias) geblieben
    hats wohl der Gegenwind verblasen

    Sorry dass ich so genau hingschaut habe

    hatte am Tage vorher in Unkenntnis Eurer aktuellen Position von Meeresluft geträumt
    aber so falsch lag ich gar nicht
    der Gegenwind = kommt aus ESE easr south east
    muesste den Duft mitbringen

    Jiebe Grüße JoeB


    p.s. Splitt ist als Zuschlag zur bituminösen Masse des Straßenbelags unumgänglich
    Im Hochsommer wurde auch von Zeit zu Zeit Splitt auf die warme Starßendeckschicht aufgetrage und eingewlzt bzw
    das besorgten damals die Autoreifen; dafür gabs dann immer Tempolimit
    Streusplitt am CARO Berg immer ein Leckerbissen bergab versteht sich
    wenn sich das Vorderrad so langsam leise seitwärts wegbewegt und deine ungeschützen Ellbogen und Knieschiebn die DNA auf den Splitspitzen hinterlegten;
    jamei

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    1. Hey Joe,
      recht hast Du mit dem Wind aus Süd-Osten, der uns Meeresluft beschert :-) Das mit dem Split als Zuschlag mag ja sein, aber dass wir über eine Kraterlandschaft radeln wie anno 1974, ist schon gewöhnungsbedürftig. Zumal seit 1974 an dem Zeug nichts mehr gemacht wurde und !!!! auf dem Seitenstreifen keine Auto- oder Truckreifen die Steine in den Asphalt drücken bzw. abwetzen/-schleifen/plattfahren. Ja mei, wie der Texaner sagt.

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