Donnerstag, 14. November 2013

Bunte Winterzwiebeln

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Kaum töne ich hochtrabend vom ewigen Sommer, stürzt die Temperatur in den Keller. Wir starteten in La Grange bei satten 0,5 Grad Celsius. Wir kratzten alle Klamotten zusammen, derer wir habhaft wurden, weil wir unsere Winter-Radelausrüstung in Deutschland gelassen haben. Beinlinge ersetzen die lange Radhose, Armlinge den Pullover bzw. die Jacke und mehrer Schichten aus dünnen Unterhemden bzw. Trikots sowie ärmellose Windjacke und schließlich die Sicherheitsweste runden das Ganze im wahrsten Sinn des Wortes ab. Als bunte Zwiebeln starten wir ins texanische Hügelland östlich von La Grange.

Frühstück gab es zwangsläufig im örtlichen "Subway", direkt neben unserem Motel. In ganz La Grange war kein Restaurant zu finden, das Frühstück serviert. Lediglich ein Cafe wäre noch halbwegs in Frage gekommen. WÄRE. Aber es war eines jener Cafes, in denen niemand Kaffee bestellt. Kaffee ist längst out in Coffe Shops. Heute bestellt man... nein, ich berichtige, heute bestellt frau "fancy stuff" wie z.B. "Cinamon Dolce Latte", "Iced Hazelnut Macchiato" oder "Mocha Cookie Crumble Frappuchino". All diese Getränke gibt es in verschiedenen Farben und auf Wunsch vermutlich auch mit Glitzereffekt. 


Wer, wie wir heute, einmal hinter einer dieser Kundinnen warten mußte, der braucht die Entdeckung der Langsamkeit nicht mehr lesen. Bis diese Unentschlossenen, diese ewig Hin-und-Hergerissenen, die schier zerbrechen an dem Druck, eine Entscheidung treffen zu müssen, sich endlich dazu durchringen, eine Bestellung aufzugeben, da trocknet schon mal der ein oder andere Fluß in Texas aus. Dieser an sich schon nervenaufreibend langsame Entscheidungsprozess wird gerne künstlich hinausgezögert durch Fragen an die Verkäuferin wie etwa "Ich weiß auch nicht, was meinen Sie, sollte ich..." oder "Was würden Sie mir denn an meiner Stelle..." oder meine Lieblingsfrage "Wie schmeckt ... eigentlich?" Ich versuche mir immer vorzustellen, was im Kopf eines Menschen vorgeht, der gerade eine saublöde Fragen stellt, aber hier setzt sogar meine boshafte Phantasie aus. Angie, die manchmal Boshafte, spielt mit diesem Phänomen und sagt gelegentlich zu einem Ober: "Ich hätte gerne ein Dessert, das mir schmeckt". Ok, zurück zu Mrs. Mocha Cookie Crubmle Frappuchino vor uns. Irgendwann war der Entscheidungsprozess soweit gereift, dass eine semantisch und semiotisch rezipiente Bestellung aufgegeben und von der zuständigen Mitarbeiterin als solche bestätigt wurde. Damit begann Phase 2: Produktion. Einen Kaffee hätte man aus der Kanne eingeschenkt und fertig wäre die Laube. Aber "fancy stuff" erfordert viele verschiedene Handgriffe, bei der eine Vielzahl unterschiedlicher und bisweilen wundersamer Geräte zum Einsatz kommen. Einem mir nicht nachvollziehbarem, aber offenbar eisernen Gesetz zufolge dürfen dabei ausschließlich Portionen in Fingerhutgröße bearbeitet werden. Anstatt einen ordentlichen Eimer Frappuchino oder ein Fass Mocha für die nächsten 50 Kunden vorzubereiten, kommen Fingerspitzen, Pinzetten und Pipetten zum Einsatz ("Lassen Sie mich durch, ich bin Frappuchinofachfrau".) Viel komplizierter als ein Mocha Cookie Crumble Frappuchino kann eine DNA-Analyse auch nicht sein. Irgendwann ist das Produkt produziert und Phase 3 beginnt: die Auslieferung. Einen Becher Kaffe stellst Du auf die Theke, machst einen Deckel drauf und fertig ist die Laube. Einen Mocha Cookie Crumble Frappuchino NICHT! Das wäre zu banal, zu ordinär, ja geradezu vulgär wäre so etwas. Ein Mocha Cookie Crumble Frappuchino wird in Super-Zeitlupe in ein (farblich passendes soll ja hübsch aussehen) Spezialbehältnis abgefüllt, nicht ohne diesem an sich banalen Prozess mit Worten wie "Hm...was für ein schöner Frappuchino" oder "Lecker! Und die Farben..." oder "Yammi! Was für ein wunderschöner Frappuchino" den verbalen Ritterschlag zu verleihen. 

Zwei solche Kundinnen vor Dir und du kannst von Frühstück auf Mittagessen umdisponieren. Fazit: Nix für mich, nix wie raus und rein ins Subway. Dort waren wir die einzigen Gäste. Nach 2 Minuten war mein Frühstücks-Veggi-Sub fertig, weitere 17 Sekunden später ein halber Liter Kaffee abgefüllt und - genau - fertig war die Laube. Die Zukunft ist ein Abgrund. Der Trend zum Zweitbuch nimmt weiter ab und jetzt kommen auch noch Frappuchinos dazu. (Angriff der Killerfrappuchinos? Frogs! Das verstehen jetzt nur Radlpeter und Radlingrid) Kao-Tai hat diesen Satz "Die Zukunft ist ein Abgrund" schon 1983 in seinen Briefen in die chinesische Vergangenheit niedergeschrieben. Und mit jedem Tag, den ich objektiv altere, hat Kao-Tai subjektiv rechter. 

Angesichts der arktischen Temperaturen und mit Rücksicht auf meinen lädierten linken Wadenmuskel haben wir uns heute erneut zu einer Mini-Etappe entschlossen. In diesem Haus residieren wir heute. Wir sind die einzigen Gäste und breiten uns dementsprechend aus. (www.knittelhomestead.com ): Hermann Butler and Angie o'Hara


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Till Senn



4 Kommentare:

  1. Bei Kaelte helfen warme Gedanken! Irmgard

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    1. Gut, dann denke ich ab jetzt an Glühwein und Glühbier, wenn ich durstig werde :-)

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  2. Diese seltsamen Verlängerungen an den Rädern des Autos - so was hab ich zuletzt bei Ben Hur gesehen. Möglicherweise steht deFahrer nicht so auf Radler und kann sie so zerhächseln.

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  3. das beim Huren Bene
    hieß damals

    der fährt den Griechischen Kampfwagen

    apropos

    Austin Formel 1
    ich erwähnte
    also achtung vor tiefergelegten boliden

    und das mit dem wetter
    ja is halt bald winter
    oder wia der Kaisleriche Franzl oiwei sagt:
    Ja is den heid scho Weihnachten

    als gegenseitige Wadl- Massage und nicht lang
    fackerl
    Kopp in Nacken

    wie der nordische Trinkspruch lautet

    Schönes WE

    JoeB

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